Der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) hat die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigt und gegen Kritik der CSU in Schutz genommen. "Ein Politiker muss in wichtigen Fragen riskieren können, Stimmen zu verlieren! Frau Merkel hat diesen Mut. Sie beweist: Nur ein Politiker, der notfalls auch bereit ist zu fallen, kann stehen", sagte von Dohnanyi der "Welt".
Auf die Frage, ob der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer mit verantwortlich für die jüngsten AfD-Wahlerfolge sei, antwortete von Dohnanyi mit dem Wort "vielleicht". Seehofer müsse "doch wissen, dass Fluchtursachen mit Obergrenzen nicht zu bekämpfen sind. Warum beharrt er dennoch darauf? Ich glaube, es ist diese ständige Furcht der CSU, ihre absolute Mehrheit zu verlieren. Die CSU ist eigentlich eine ängstliche Partei, die dann in schwierigen Situationen mutlos agiert."
Von Dohnanyi widersprach zudem der These, Merkel habe rechts von der Union Platz für die AfD geschaffen. Dann wäre sie ja auch für Rechtspopulisten etwa in den Niederlanden oder Finnland verantwortlich, sagte der SPD-Politiker: "Sie ist es auch nicht für Herrn Trump. Der Grund liegt eben tiefer: diese rapide Veränderung der Gesellschaft und die Auflösung gewohnter demokratischer Strukturen. Das führt zu neuen Parteien, zu den Chancen etwa für die AfD."
Die Flüchtlinge hätten nach Deutschland gewollt, sie hätten die Türen "aufgedrückt", diese seien also "nicht von Frau Merkel geöffnet" worden, sagte von Dohnanyi: "Sie folgte übrigens damals einer Bitte Österreichs." Merkel, sagte der SPD-Politiker, habe "eine lobenswerte Schwäche: Sie ist kein guter Demagoge. Ihre Klugheit und Standfestigkeit übersteigen bei weitem ihre rhetorischen Fähigkeiten."
Einen Fehler hätten die Bundesregierungen unter Merkel, Gerhard Schröder (SPD) und Helmut Kohl (CDU) gemacht, sagte von Dohnanyi: "Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hatte schon vor 20 Jahren eine europäische Asylpolitik gefordert. Aber es passierte: nichts. Die großen Probleme kommen aber erst, denken Sie nur an die Migration infolge des Klimawandels."