Langsam rückt die Europäische Zentralbank (EZB) wieder in den Fokus der Anleger, die am morgigen Donnerstag über ihren zukünftigen geldpolitischen Weg entscheidet. Doch während die Sitzung der US-Notenbank Fed am 27. April aus den jüngst hier genannten Gründen durchaus ein spannender Termin werden könnte, ist von Seiten der EZB nur wenig zu erwarten.
EZB hatte erst im März das QE-Programm deutlich ausgeweitet
Die EZB hatte erst im März ihr Programm der quantitativen Lockerung in mehrfacher Hinsicht erweitert:
- Das Anleihekaufprogramm wurde von monatlich 60 Mrd. auf 80 Mrd. Euro aufgestockt. Das Paket bekam damit ein zusätzliches Volumen von 240 Mrd. Euro, so dass sich das gesamte Ankaufvolumen inzwischen auf mehr als 1.700 Mrd. Euro belaufen wird.
- Dabei wurde das Programm von Staatsanleihen zusätzlich auf Unternehmensanleihen erweitert. So sollen sich Unternehmen günstiger refinanzieren können, damit sie das gesunkene Zinsumfeld nutzen, um mehr zu investieren.
- Zudem sollen sich Banken mit vier neuen gezielten Langfristtendern zum Nullzins bei der EZB Geld für vier Jahre leihen. Wenn sie ein entsprechendes Volumen an Krediten vergeben, zahlen sie sogar nur den Zinssatz in Höhe des Einlagensatzes. Das heißt, sie bekommen aktuell 0,4 Prozent vergütet.
Belebung des Kreditangebots
Ziel dieser quantitativen Lockerung (QE) ist eine Belebung der Kreditvergabe. Und die Maßnahmen zeigen bereits Wirkung. Nach der gestern veröffentlichten Umfrage zum Kreditgeschäft im Euro-Währungsgebiet ("bank lending survey") hat sich das Kreditangebot im 1. Quartal 2016 insgesamt weiter verbessert. So ist die Kreditvergabe an Unternehmen außerhalb der Finanzbranche zum Beispiel im Februar um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen (Januar: +0,6 Prozent). Darlehen an Haushalte legten im Jahresvergleich sogar um 1,6 Prozent zu. Die Wachstumsraten waren damit so hoch wie seit Ende 2011 nicht mehr.
Kreditnachfrage bleibt bislang schwach
Doch die Umfrage offenbarte auch Schwachstellen. So meldeten die Banken zwar - wie von der EZB angestrebt - eine Lockerung ihrer Richtlinien insbesondere für Unternehmenskredite, womit sich das Kreditangebot besserte, die Kreditnachfrage blieb allerdings schwach. Unternehmen in der Eurozone planen trotz des historisch niedrigen Zinsniveaus nur einen sehr moderaten Investitionsaufbau.
Dennoch ist bei der morgigen EZB-Sitzung mit keinen Änderungen zu rechnen. Die EZB wird wohl erst einmal die Wirkung der zuletzt beschlossenen Maßnahmen abwarten. Denn die neuen Maßnahmen benötigen einige Zeit, bis sie in der Wirtschaft ankommen. Daher werden morgen lediglich Details zum Ankauf von Unternehmensanleihen erwartet.
Verbraucherpreise sind zuletzt nicht mehr gesunken
Zumal es neben dem gelockerten Kreditangebot auch positive Zeichen von Seiten der Inflation gab, auf die die EZB-Maßnahmen ebenfalls zielen. So sind die Verbraucherpreise in der Eurozone im März zum Vorjahr mit 0,0 Prozent nicht mehr gefallen (Februar: -0,2 Prozent).
Dabei waren vor allem die weiterhin niedrigen Energiepreise für die nach wie vor schwache Preisentwicklung verantwortlich. So kostete Energie 8,7 Prozent weniger als im März 2015. Die Kernteuerung - also ohne die Preise von Nahrungsmitteln, Energie, Alkohol und Tabak - stieg von 0,8 Prozent im Februar auf zuletzt 1,0 Prozent.
Der Basiseffekt des Ölpreisrückgangs schwindet ab Juli, was automatisch für steigende Inflationsraten sorgen wird. Beim Blick auf die aktuellen Daten kann die EZB also zunächst entspannt der weiteren Wirkung der beschlossenen Maßnahmen zusehen.
DAX kämpft an einer wichtigen Target-Trend-Marke
Größere Marktbewegungen sind daher im Umfeld der EZB-Sitzung nicht zu erwarten. Entsprechend kann sich der DAX voll auf einen charttechnischen Widerstand konzentrieren, an dem er gerade zu kämpfen hat (grüner Pfeil):
Nachdem der DAX am Alpha-Target abgeprallt und in die untere Hälfte des hellblauen Rechtecks abgetaucht war, konnte er die Mittellinie bei 9.862 Punkten mit einer Aufwärtslücke wieder zurückerobern. Sie erinnern sich, wir schrieben, dass nach der Target-Trend-Methode ein bearishes Signal erst beim Bruch der 9.379er Marke (untere Rechteckkante) ausgebildet wird.
Nach einem kurzen Kampf mit der 10.000er Marke konnte der DAX durch Anschlusskäufe inzwischen dynamisch bis an die Rechteckgrenze bei 10.345 Punkten steigen. Gestern stoppte er genau an dieser Marke, heute fiel er zunächst unterhalb dieser Marke leicht zurück. Aktuell notiert der DAX zwar leicht oberhalb dieser Marke, doch kann er sich nicht richtig von ihr ablösen und weiter ansteigen.
Wenn ihm dies gelingt, dann liegt das nächste Kursziel der Bullen nach der Target-Trend-Methode an der Mittellinie bei 10.828 Punkten. Hier wird aber dann auch schon das Kursniveau des Zwischenhochs bei 11.311 Punkten die Kurse anziehen, so dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der DAX direkt bis zur dortigen Rechteckgrenze weitergereicht wird. Bei rund 10.500 Zählern liegt zuvor noch eine (rote) horizontale Widerstandslinie, an der sich der DAX schwer tun könnte.
Scheitert der DAX dort oder aber schon am aktuellen Widerstand, dann dürfte der Kampf um die 10.000er Marke in die nächste Runde gehen.
Viele Grüße
Ihr
Sven Weisenhaus