Bielefeld (ots) - Die EU steht bei der Türkei im Wort. Für jeden Flüchtling, der sich nach Griechenland abgesetzt hat und wieder zurückgebracht wurde, werde die Gemeinschaft einen Asylbewerber aufnehmen. Das war der Deal. Doch wer gehofft hatte, hinter dem Versprechen stecke so etwas wie ein Auflodern von Solidarität, sieht sich getäuscht. Wenn die Bundeskanzlerin jetzt in die Türkei reist, wird sie Fragen beantworten müssen. Vor allem die, warum sich die Mitgliedstaaten immer noch nicht auf ihren Teil der Vereinbarungen verständigt haben: die Rücknahme von Flüchtlingen direkt aus der Türkei. Um die ganze Unbegreiflichkeit dieses Streits zu erfassen, muss man sich vor Augen halten, dass es nicht um mehrere 1000 Hilfesuchende pro Monat geht, sondern um 50, 60 oder höchstens 150 - abhängig von der ökonomischen Potenz eines Landes. Mehr nicht. Nein, das ist nicht zu viel verlangt. Vor allem nicht angesichts der Tatsache, dass Ankara bereits mehr als 2,7 Millionen Opfer des syrischen Krieges im Land hat. Die Gemeinschaft droht wortbrüchig gegenüber Ankara zu werden. Ausgerechnet die EU, die der Türkei so gerne unterstellt, sie sei es, die sich nicht an Abmachungen halte. Was nun folgt, ist die Fortsetzung des beschämenden Streits der vergangenen Monate. Das abgespeckte Quoten-System wird in Kraft gesetzt, getragen von den wenigen, die sich ihrer solidarischen Verantwortung nicht entziehen. Deutschland gehört dazu, Schweden auch, Österreich bis zur erlassenen Obergrenze, sogar Italien und Griechenland sind dabei. Während andere herummäkeln: Die einen lehnen Muslime ab, die anderen wollen nur ohnehin benötigte Facharbeiter, wieder andere bevorzugen junge Familien, aber auf keinen Fall alleinstehende Männer ohne berufliche Qualifikation. Es ist nicht Europa, das ein erschreckendes Bild abgibt. Es sind eine Reihe von Mitgliedstaaten, die sich mit ihrer nationalistischen Politik von den Werten dieser Gemeinschaft verabschieden. Sie werden, spätestens, wenn es wieder einmal um Fördermittel geht, zu spüren bekommen, dass man Solidarität nicht erst aufkündigen und dann wieder einfordern kann. Der EU-Türkei-Deal ist keine Ideallösung. Aber er scheint zu wirken. Positiv, weil die Zahl der Flüchtlinge über die Türkei zurückgeht. Negativ, weil der Ansturm auf das Mittelmeer wieder anschwillt. Wer in dieser Situation die Ankunftsstaaten Italien und Griechenland alleine lässt, hat in der EU nichts verloren.
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