Regensburg (ots) - Gestern standen sie am Abgrund, heute sind sie einen Schritt weiter. Nein, über solche abgedroschenen Witze kann bei den deutschen Sozialdemokraten derzeit wirklich niemand lachen. Sie schuften sich im Maschinenraum der Berliner Groß-Koalition ab, doch offenbar dankt ihnen das keiner. Bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt erhielten die Genossen derart schlimme Watschn, dass es einen um die SPD Angst und Bange werden könnte. Und nun tritt auch noch im südlichen Nachbarland Österreich ein sozialdemokratischer Bundeskanzler zurück. Kein Rückenwind für eine Partei, die mit sich selbst hadert, deren Selbstbewusstsein unter dem Gefrierpunkt vereist scheint. Dabei muss der Rückzug von Werner Faymann in Wien nicht einmal ein schlimmes Zeichen für die sozialdemokratischen Nachbarn im Norden sein. Es könnte unter Umständen sogar ein Weckruf sein. Der Wiener Ex-Kanzler hat eigentlich nur gezeigt, wie man es nicht machen sollte, was passiert, wenn man über keinen klaren politischen Kompass verfügt, wenn man den Rechtspopulisten, etwa in der wichtigen und hochemotionalen Flüchtlingsfrage, Munition frei Haus liefert. Die derzeitige Bredouille der SPD hat zudem tragische Vorbilder in anderen sozialdemokratischen Parteien, von Griechenland, bis Spanien, Portugal oder Großbritannien. Die Erosion des Zusammenhalts in der EU geht mit der Erosion der Macht sozialdemokratischer Parteien einher. Nur macht das die Sache für Gabriel und Co. um keinen Deut einfacher. Dass derzeit wild um die Person des SPD-Vorsitzenden spekuliert wird, macht die Malaise der Sozialdemokratie in Deutschland indes nur noch deutlicher. Es liegt ja nicht nur daran, dass ein in die Jahre gekommener Münchner Journalist Gerüchte ohne Substanz in die Welt setzt, sondern das Problem steckt viel tiefer. Und es geht weit über die Person Sigmar Gabriel hinaus. Dessen Analyse, dass die SPD viel mehr als staatstragend wahrgenommen wird und nicht mehr als linke soziale Bewegung, geht in die richtige Richtung. Gerhard Schröder hat 1998 die Wahl gegen Helmut Kohl gewonnen, weil man dem frischen Mann mehr zutraute als dem Langzeit-Kanzler. Rot-Grün war seinerzeit die Verheißung für ein moderneres Deutschland. Dabei ist zweifellos auch einiges erreicht worden. Auch an der Agenda 2010 war nicht alles schlecht. Nur leider wurden damals einige Auswüchse und Fehlentwicklungen, von der Rentenpolitik bis zur ausufernden Leiharbeit und satten Steuergeschenken an Konzerne, nicht korrigiert. Gedrückt von der Merkel-Union war dies in einer Groß-Koalition auch kaum möglich. Eine gründliche Erneuerung in der Opposition war für die SPD keine wirkliche Option. Der SPD schmolz in der Nach-Schröder-Zeit erst die Wählerschaft, dann die Kompetenz in sozialen Fragen und schließlich die Glaubwürdigkeit weg wie Schnee in der Frühlingssonne. Doch verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, ist für eine Partei so ziemlich die schwierigste Operation, die das politische Leben bereithält. Dem Nach-wie-vor-Parteichef Sigmar Gabriel bleibt in dieser verfahrenen Situation eigentlich nur die Alternative zwischen knorrigem Weitermachen wie bisher, was für die SPD in der Tat auf mittlere Sicht existenzbedrohend sein könnte. Oder aber er besinnt sich auf den sozialen, linken Markenkern der Sozialdemokratie, der nun allerdings auf die neuen Verhältnisse - global, europäisch und national - durchbuchstabiert werden müsste. Die Sozialdemokratie muss glaubhaft darlegen, wofür sie in der heutigen Zeit noch gebraucht wird, vielleicht sogar unersetzlich ist.
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