Regensburg (ots) - Im Politdschungel geht es manchmal zu wie im echten Urwald: Alpha-Männchen trommeln sich auf die Brust und stoßen ein paar Urschreie aus, um die eigene Stärke zu demonstrieren - ganz egal, wie prächtig es momentan tatsächlich darum bestellt ist. Ähnlich hielt es die CSU, als sie nach langem Hin und Her nun offiziell die Klagedrohung von Ministerpräsident Horst Seehofer gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel "in die Schublade" legte, auf dass sie dort möglichst schnell in Vergessenheit geraten möge. Ausgerechnet Staatskanzleichef Marcel Huber und Justizminister Winfried Bausback, sonst eher bekannt für feine Zurückhaltung, blieb der Part, den Rückzieher wortgewaltig als vermeintlichen Machtbeweis der CSU zu verkaufen. Merkel folge schließlich inzwischen in weiten Teilen stillschweigend dem Asylkurs der CSU, hieß es. Eine Deutung, die selbst für Wohlmeinende schlicht Schönfärberei ist. Die CSU, die monatelang mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht hatte, wurde vielmehr von einer Wirklichkeit überholt, die Kontrahentin Merkel in die Hände spielte. An der bayerisch-österreichischen Grenze ist der Flüchtlingsstrom seit Schließung der Balkanroute nahezu zum Stillstand gekommen. In Karlsruhe nun auf eine strenge Sicherung der Grenze zu drängen, wäre eine komische Nummer gewesen - noch komischer, als es ohnehin schon ist, wenn die CSU juristische Schritte gegen eine Bundesregierung erwägt, der sie selbst angehört. Das Dauerrempeln gegen Berlin war zu keinem Zeitpunkt ein Zeichen von politischer Stärke. Es war immer untrüglicher Beweis, wie sehr die CSU bei Merkel auf taube Ohren stößt. Das hat sich bis heute nicht grundlegend geändert. Zwar trägt das Asylpaket II die Handschrift Seehofers. Der Kurswechsel Merkels war aber vor allem auch der Tatsache geschuldet, dass nicht mehr das ungeliebte Bayern allein, sondern eine Vielzahl von Bundesländern damit überfordert waren, sehr rasch sehr viele Flüchtlinge zu versorgen. Bei anderen Zugeständnissen Berlins an die CSU kommt es auf das Kleingedruckte an. Das gilt etwa für den Streit um Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze, entfacht durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Ab Mitte Mai sei es damit vorbei, hatte er vor wenigen Wochen in üblich ungeschickter Art, auch noch ohne Rücksprache mit Bayern erklärt. Nach einer massiven Breitseite Seehofers ruderte er zwar zurück. Wofür de Maizière steht, findet sich aber weiter in dem diese Woche gefundenen Kompromiss. Die Bundespolizei soll nun der "Lage angepasst" arbeiten. Was heißt das wohl konkret, wenn über längere Zeit wenig Flüchtlinge ankommen? Auch ein weiterer Satz hat es in sich: Sollten die Kontrollen zeitweise ausgesetzt werden, geschehe es eng mit Bayern abgestimmt. Der nächste Streit zwischen CSU und CDU ist vorprogrammiert. Konfliktpotenzial gibt es genug. Seehofer versteht das Erstarken der AfD als alarmierenden Weckruf , Merkel will das Problem lieber aussitzen. Seehofer drängt, dass die schwarz-rote Koalition vor der nächsten Bundestagswahl Zukunftsprojekte wie die Rentenreform aufs Gleis setzt - im Kabinett ist keine Betriebsamkeit zu erkennen. Die Schwesterparteien haben sich weit voneinander entfernt. Die Schuld liegt auf beiden Seiten. Merkel definiert Partnerschaft offenkundig als einen Akt, bei dem die andere Seite am Ende zermürbt von ihr ablässt - bei Männern in der eigenen Partei hat sie das mehrfach mit Erfolg durchexerziert. Seehofer wiederum definiert gute Politik vor allem danach, was für die CSU und damit nach seiner Lesart automatisch für den Freistaat gut ist. Sein Liebäugeln mit einem Bundestagswahlkampf in Konfrontation zur CDU mit ihm selbst als Spitzenkandidaten passt in dieses Verhaltensmuster. Eine Drohung, die im Gegensatz zur Bundesverfassungsgerichtsklage wahr werden könnte. Trotz aller Rückschläge: Wer, wenn nicht er selbst, beherrscht das Klingenkreuzen mit Merkel am besten? Der von der Opposition bereits angekündigte Wahlkampfslogan - wer CSU wählt, wählt Merkel - wäre damit ausgehebelt. Die Strategie birgt für Seehofer die Chance auf einen neuen Wahlsieg der CSU, aber auch die Gefahr des verheerenden persönlichen Scheiterns. Wie hart seine Partei stets mit Verlierern umgeht, ist bekannt.
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