Steigende Ölpreise haben den Aktienmärkten zu Beginn dieser Woche Auftrieb verliehen. Einen Preisschub erhielten sie, weil die US-Investmentbank Goldman Sachs in einer Studie zu dem Schluss kam, dass sich die Zeit des Überangebots am Ölmarkt dem Ende neige.
Ölpreise auf 6-Monats-Hoch
Bei diesen Aussichten erreichten die Ölsorten Brent (siehe Chart) und WTI am Montag jeweils den höchsten Stand seit mehr als einem halben Jahr. Die Zwischenhochs vom 29. April hat der Ölpreis damit überwunden (grüne Ellipse). Der Ausbruch aus dem Abwärtstrend ist somit nachhaltig bestätigt (siehe auch Börse-Intern vom 12. Mai).
Die Ölpreise befinden sich seit Jahresbeginn in einem schönen Aufwärtstrend. Die Aufwärtslinien (grün und rot) im Chart bilden allerdings keinen parallelen Trendkanal, weshalb sie in verschiedenen Farben gezeichnet sind (rot = Widerstand, grün = Unterstützung), sondern laufen leicht zusammen. Damit bildet sich eher eine Art Keilformation. In dieser hat Brent noch bis 51,24 USD Platz. Dort verläuft die obere (rote) Widerstandslinie. Nach unten bleibt die Aufwärtsbewegung so lange intakt, bis die Kreuzunterstützung aus den horizontalen Unterstützungen und der (grünen) Aufwärtslinie bei rund 43 USD unterschritten wird.
Trend könnte sich bis in den Juni hinein fortsetzen
Diese Aufwärtsbewegung könnte sich noch bis in den Juni hinein fortsetzen. Denn wie schon am 19. April geschrieben, soll es im Juni zu einem weiteren Treffen wichtiger Ölförderländer kommen, auf dem erneut über eine Deckelung der Fördermengen entschieden werden soll. Bislang konnte keine Einigung gefunden werden, da der Iran sein Öl-Förderziel noch nicht erreicht hatte. Dies könnte im Juni der Fall sein. Insofern stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich die beteiligten Länder im Juni einigen werden. Bis dahin bleibt demnach die Hoffnung, dass es zu einer Förderbegrenzung kommt und das unterstützt die Kurse.
Kommt es dann tatsächlich zu einer Einigung, könnten die Notierungen auch nach dem Treffen weiter ansteigen, abhängig vom genauen Beschluss. Gehen die Länder hingegen erneut ohne Einigung vom Tisch, müssen Sie mit einem heftigen Rücksetzer rechnen.
Schwung durch Ölpreise, Dämpfer durch Zinsängste
Der DAX konnte vor diesem Hintergrund nach der feiertagsbedingten Auszeit am Montag zu Handelsbeginn am Dienstag mit einer Aufwärtslücke starten und am Vormittag ein Tageshoch bei 10.080 Punkten markieren. Doch genau dort, wo die Kurse schon am vergangenen Donnerstag eine dramatische Kehrtwende vollzogen, prallte der DAX auch gestern nach unten ab (oberer rote Ellipse im Chart) und fiel innerhalb der Seitwärtsrange (blau) wieder um mehr als 280 Punkte deutlich ab.
Der Grund für die neuerliche Kehrtwende und die Fortsetzung der "Schaukelbörse": Daten zur Inflation und zur Industrieproduktion in den USA fachten wieder die Zinsdebatte an. Die Industrie hat nach dem schwachen März (-0,9 Prozent gegenüber dem Vormonat, revidiert von -0,6 Prozent) im April ihren Ausstoß so stark gesteigert wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Die Produktion legte im Vergleich zum Vormonat um 0,7 Prozent zu, statt erwarteter 0,3 Prozent. Auch die Teuerung fiel mit 0,4 Prozent etwas höher aus als von Volkswirten mit 0,3 Prozent erwartet. Zudem war das der stärkste Preisanstieg seit Februar 2013. Sie sehen, dass das, was wir zu den zunehmenden Inflationsgefahren in den USA geschrieben haben, immer mehr Form annimmt. Doch muss man hier noch genauer hinsehen.
Fed steht noch nicht unter Handlungsdruck
Denn bei einem zweiten Blick auf die Daten sind diese allein noch kein neuer Hinweis auf eine baldige Zinsanhebung. So liegt die Industrieproduktion im Jahresvergleich noch um 1,1 Prozent niedriger. Und bei der Inflation liegen wir nun auf Jahressicht bei 1,1 Prozent, nach +0,9 Prozent im Monat zuvor und damit noch weit entfernt von dem eigentlichen Inflationsziel der Federal Reserve (Fed) von 2 Prozent.
Die Fed wird daher nicht tätig, nur weil sich der Ölpreis gerade etwas erholt. Stattdessen wird sie erst dann handeln, wenn neben dem bereits erreichten Zustand der Vollbeschäftigung (Arbeitslosenquote bei 5 Prozent) auch die Löhne und die Konsumausgaben deutlicher steigen. Denn erst dann wird sich ein nachhaltiger Inflationsanstieg ergeben, den es mit höheren Zinsen unter Kontrolle zu behalten gilt.
Hebt die Fed die Zinsen doch schon im Juni an?
Zunächst aber interpretierten die Märkte die gestrigen Zahlen so, dass die Fed bereits im Juni an der Zinsschraube drehen könnte. Entsprechend gaben die Kurse gestern nach.
Ganz von der Hand zu weisen, sind solche Befürchtungen nicht. Zinserhöhungen wirken sich erst zeitversetzt nach ca. 6 bis 12 Monaten auf die Inflation aus. Die Fed müsste deswegen schon frühzeitig anfangen, die Zinsen anzuheben, sobald sich die Inflation in die entsprechende Richtung entwickelt. Allerdings sehen die FOMC-Mitglieder im Median die Inflationsrate erst im 4. Quartal 2018 bei 2 Prozent. Demnach hätte die Fed also noch genügend Zeit, die Zinsen gemächlich anzuheben. Doch einem Zinsschritt im Juni steht mit den jüngst wieder vermehr positiven US-Daten nichts mehr im Wege.
Fazit
Die Märkte wurden zuletzt von einem Anstieg der Ölpreise getrieben und erhielten dann einen Dämpfer durch überraschend starke US-Konjunkturdaten. Diese haben die Zinsängste neu geschürt. In den gestrigen Daten sind zwar keinen eindeutigen Hinweis auf einen Zugzwang der Fed zu erkennen, doch einem kleinen Zinsschritt im Juni steht mit diesen Daten auch nicht mehr viel entgegen.
Wichtig dürfte daher die Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls der letzten US-Notenbanksitzung heute um 20:00 Uhr (MEZ) sein. Denn das Protokoll könnte klarere Hinweise auf die künftige Geldpolitik der Fed geben. Wenn das Protokoll dies Zinsanhebung im Juni unterstreicht, könnte dies die Aktienmärkte weiter belasten.
Handlungsbedarf sehe ich aber erst, wenn der DAX seine Seitwärtsrange (blau) verlässt. Ein Trade in die Ausbruchsrichtung könnte dann vielversprechend sein.
Viele Grüße
Ihr
Sven Weisenhaus