Regensburg (ots) - Schmutz, Krankheit, Angst und Gewalt: Idomeni, das wilde Massenlager an der Grenze zu Mazedonien, ist nach den Schilderungen unabhängiger Beobachter ein Ort der Hölle. Am Dienstag hat Athen begonnen, die zuletzt 9000 Gestrandeten in offizielle Lager umzusiedeln. Was nach einer guten Nachricht klingt, hat auch seine dunklen Seiten. "Was gut und was böse ist, der Spießer weiß es ohne nachzudenken", sagt der Dramatiker Ödön von Horvath. Ist es nun gut, dass Idomeni geräumt wird, diese "Kulturschande", wie der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm nach seiner Solidar-Nacht im Camp die Zustände genannt hat? Erst einmal: Ja. Die Verzweifelten, die seit knapp drei Monaten unter menschenunwürdigen Bedingungen am Rand des 200-Seelen-Dorfs Idomeni dahinvegetieren, verlassen einen Ort, der nicht nur wegen der katastrophalen humanitären Bedingungen lebensgefährlich ist. Die Flüchtlinge, die bis Dienstag noch in dem Lager lebten, sträubten sich bis zuletzt gegen die Umsiedlung. Sie wollten die Hoffnung nicht loslassen, die Balkanroute könnte wieder passierbar werden, sie könnten sich von Idomeni aus bis Zentraleuropa durchschlagen - eine Hoffnung, die von Schleppern ausgenützt und von Aktivisten instrumentalisiert wurde. Viele, die sich auf den riskanten Weg in Richtung Deutschland locken ließen, fanden den Tod. Auch diese Gefahr wird durch die Verlagerung in offizielle Unterkünfte eingedämmt. Aber: Auch in den neuen Lagern wartet das Elend auf die Flüchtlinge. Die Zustände in den provisorisch hergerichteten alten Industriegebäuden und Militärkasernen sind angeblich, nach Vor-Ort-Recherchen, teilweise sogar noch schlechter als in Idomeni: "Die Wirklichkeit in den Lagern hat nichts mit den schöngefärbten Imagevideos des UNHCR zu tun", sagt Adrienne Homberger vom Projekt MovingEurope. Das Projekt steht allerdings selbst in der Kritik, mit Flüchtlingselend Meinung zu manipulieren. Fest steht: Die Räumung von Idomeni rückt einen Brennpunkt aus dem Blickfeld. In dem Camp war Norbert Blüm nur einer in einer Reihe von Prominenten, die medienwirksam auf die unhaltbaren Zustände hinwiesen. Die Verlagerung der Menschen in die neuen Unterkünfte wurde am Dienstag unter Ausschluss von Journalisten gestartet. Das Lager produziert bald keine Schlagzeilen und keine Bilder mehr. Die Not wird unsichtbar - aber sie wird weiter existieren. Für die meisten Migranten wird es lange dauern, bis sie wissen, wie und wo sie weiterleben können. Es fehlt an Asylrichtern und Sicherheitsbeamten, die die anderen EU-Staaten versprochen hatten. Es fehlt an Dolmetschern und Bearbeitern für die Asylanträge. Die Mängel sind auch eine Folge der EU-Sparpolitik. Und: Das Camp Idomeni wird aufgelöst, aber eine Lösung für die Flüchtlingsfrage ist damit noch längst nicht gefunden. Seit der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei in Kraft getreten ist, ist die Zahl der Zuzügler, die aus der Türkei nach Griechenland kommen, dramatisch gesunken - aber die Menschen, die vor Gewalt und Elend fliehen, warten jetzt eben außerhalb des zentraleuropäischen Blickfelds. Die Flüchtlingsfrage ist eine globale Herausforderung. Der EU-Flüchtlingspakt und die Auflösung des wilden Camps machen die Tragödie, aktuell und punktuell, ein wenig erträglicher. Sie werden es vor allem der Öffentlichkeit in Zentraleuropa einfacher machen, die Augen von der großen Katastrophe der Gegenwart abzuwenden. Einen Ausweg wird es aber nur geben mit der Devise "Augen auf und durch".
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