Regensburg (ots) - Am Tag danach richten sich alle Augen auf den Verlierer. Wird Bernie Sanders seine Drohung wahr machen und Hillary Clinton die Krönungsfeier auf dem Parteitag Ende Juli in Philadelphia vermasseln? Allein die Drohung lässt die Demokraten erschaudern. Sanders weiß um die Macht, die er in der Stunde der Niederlage in den Händen hält. Es ist die überwältigende Unterstützung seiner jungen und unabhängigen Anhänger, ohne die Hillary das Rennen um das Weiße Haus im November nur schwer gewinnen kann. Deshalb pokert der linke Rebell hoch. Barack Obama wird Sanders bei dem für diesen Donnerstag im Weißen Haus geplanten Gespräch gewiss dazu ermahnen, das Richtige zu tun. Zumal sich Clinton bei den Vorwahlen nach jeder Metrik überzeugend durchgesetzt hat. Sie holte die Mehrheit der Delegierten, führt bei den Superdelegierten, siegte in der Mehrzahl der Bundesstaaten und hat bei den absolut abgegeben Stimmen die Nase vorn. Dass sich Sanders der designierten Präsidentschaftskandidatin nicht gleich vor die Füße wirft, könnte aber auch Clinton helfen. Indem der unterlegene Herausforderer für Änderungen im Wahlprogramm und Personalien kämpft, bewahrt er in den Augen seiner Anhänger die Glaubwürdigkeit. Damit verbessern sich die Chancen, dass diese ihm auch folgen, wenn Bernie am Ende Hillary unterstützt. Alles andere wäre ein Desaster für die Demokraten, die schnell zur Einheit zurückfinden müssen, um den Rechtspopulisten Donald Trump im November zu schlagen. Zumal es töricht wäre, dessen Chancen ein weiteres Mal zu unterschätzen. Trumps Unterstützung speist sich aus derselben Quelle, aus der auch die Sanders-Revolte schöpfte. Es sind die tatsächlichen Verlierer der Globalisierung, diejenigen, die fürchten die nächsten zu sein und Menschen, die unter Kontrollverlust-Ängsten leiden. Das Versprechen, Amerika wieder großartig zu machen, drückt eine Sehnsucht aus, die weit über das Trump-Lager hinaus ernst genommen werden muss. Der große Unterschied zwischen Trump und Sanders besteht darin, wie sie die Sorgen der Amerikaner kanalisiert haben. Dass Trump mit rassistischen Ausfällen gegen Mexikaner und Muslime Stimmung macht, disqualifiziert ihn für das wichtigste Amt der Welt. Während Trump der fleischgewordene Mittelfinger der Wutbürger ist, verkörpert Clinton das politische Establishment. In einem Klima des Aufbegehrens gegen die festgefahrenen Strukturen Washingtons findet sich Hillary damit in einer schwierigen Situation wieder. Trump wird versuchen, die Wahlen zu einer Abstimmung über Clinton zu machen. Wäre er selber ein Sympathieträger, könnte die Strategie aufgehen. Clintons großes Glück besteht darin, einen Gegenkandidaten zu haben, der noch unbeliebter ist als sie. Angesichts der demographischen Realitäten der USA kann es sich ein Kandidat nicht leisten, ganze Wählergruppen gegen sich aufzubringen. Bei den Latinos hat er sich mit seinem Versprechen verscherzt, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen und elf Millionen illegale Einwanderer zu deportieren. Die Frauen hat er abgeschreckt, als er forderte, Abtreibungen strafrechtlich zu verfolgen. All das gibt Hillary ihrerseits nun die Möglichkeit, die Wahlen im November zu einem Referendum über den Charakter Trumps zu machen. Das wird allerdings nur gelingen, wenn sie selber die Reihen bei den Demokraten schließen kann. Nachdem der Pulverdampf verzogen ist, stehen Sanders und Clinton gemeinsam in der Verantwortung, größeren Schaden abzuwenden.
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