Regensburg (ots) - Integration. Ein Wort, das man in den vergangenen Monaten so oft gehört hat, dass es jegliche Bedeutung verloren zu haben scheint. Ein ähnliches Schicksal, wie es in der Vergangenheit "Nachhaltigkeit" oder "lückenlose Aufarbeitung" ereilt hat. Wörter, die nach ihrer steilen Karriere wieder aus dem öffentlichen und politischen Leben verschwinden, um zu ihrem Nischendasein zurückzukehren. Immerhin, gegen Abnutzung und Bedeutungsverlust hat die Bundesregierung ein entsprechend benanntes Gesetz auf den Weg gebracht. "Ein Meilenstein", wie Bundeskanzlerin Merkel sagt, oder eine "entscheidende Zäsur für unser Land", wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière versichert, den Vergleich mit historischen Einschnitten wie Weltkriegen, Republikgründung oder Wiedervereinigung nicht scheuend. Es ist richtig, aus den Fehlern der Vergangenheit lernen zu wollen und Menschen, die in die Bundesrepublik kommen, als Teil der Gesellschaft wahrzunehmen und darauf hinzuarbeiten, dass sie es auch werden. Die Italiener und Türken, die in den 1950er und 60er Jahren nach Deutschland kamen, wurden als Variablen einer volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung gesehen, deren Ergebnis das sogenannte Wirtschaftswunder war. Von gesellschaftlicher Integration war nicht die Rede. Ähnlich war die Situation trotz "Solidarität"-Geschrei in der DDR. Die meisten sollten nach getaner Arbeit wieder gehen, wer bleiben wollte, war auf sich gestellt. Doch auch wenn de Maizière im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz von einer Einbindung in das "kulturelle und rechtliche Gefüge unseres Landes" spricht, lesen sich die wichtigsten Punkte eher wie ein Fachkräfteprogramm als ein echtes Integrationsgesetz. Es geht um die Heranführung an den Arbeitsmarkt, Unterstützung bei der Ausbildung, Gleichstellung mit Bewerbern aus der EU und Deutschland - zumindest dort wo keine hohe Arbeitslosigkeit herrscht - und um einen besseren Zugang zu Integrations-, sprich: Sprachkursen. Schließlich beklagt die Wirtschaft mangelnde Sprachkenntnisse als Haupthindernis bei der Verpflichtung von Flüchtlingen als Arbeitskräfte. Es geht also, um es mit den Worten des Bundesarbeitsministeriums zu sagen, um "Integration durch Arbeit". Doch obwohl man "Integration" vor "Arbeit" schreibt, ändert sich nichts am Prinzip. Es geht in erster Linie darum, dass unterm Strich ein Plus steht. Einschneidend ist das neue Gesetz allerdings tatsächlich dort, wo die Paragrafen keinen direkten Bezug zum Arbeitsmarkt haben. Die geplante Wohnsitzauflage schränkt gleich mehrere Grundrechte ein - aber die gelten ja ohnehin nur für Staatsbürger. Und die Verschärfung beim Daueraufenthalt betrifft auch anerkannte Flüchtlinge - es sei denn, sie haben Arbeit. Vom geplanten bayerischen "Integrationsgesetz", das alle Menschen, die nicht bayerisch genug aussehen, unter Generalverdacht stellt, einmal ganz zu schweigen. Die laute Diskussion um die Integration hat noch eine weitere Nebenwirkung: Beim Streit darum, wie man mit den neu angekommenen Menschen in Deutschland verfahren soll, werden die vergessen, die auf dem Weg in eine vermeintlich bessere Zukunft nach wie vor ihr Leben riskieren beziehungsweise verlieren. Die Verlogenheit, mit der die Abschottungspolitik der Bundesregierung mit Abkommen und Verträgen getarnt wird, ist offensichtlich. Doch anders als "Integration" zeigt "Flüchtlingskrise" Wirkung. Aus Krisenangst stört sich niemand daran, dass wieder andere unsere Drecksarbeit erledigen. So kann man den Wörtern, die ihre Bedeutung verloren haben, weitere hinzufügen: "Recht auf Asyl".
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