Regensburg (ots) - Am Ende einer hochemotionalen, spannenden, kämpferischen Debatte im alten Bonner Wasserwerk gab es eine knappe Entscheidung zugunsten von Berlin. Spötter meinten damals, Helmut Kohl und die Postkommunisten der SED-Nachfolgepartei PDS hätten den Ausschlag zugunsten der Stadt an der Spree gegeben. Wie auch immer, die Entscheidung des Parlaments besiegelte im Grunde auch formell das Ende der "alten" Bundesrepublik. Bis zur Wiedervereinigung 1990 war die eher beschauliche Bundeshauptstadt Bonn am Rhein das Synonym für Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, für Westintegration und schließlich neue Ostpolitik. Die Bonner Republik stand aber auch für Studenten-Unruhen, RAF-Terror oder Nato-Doppelbeschluss und machtvolle Demonstrationen dagegen. Doch alles in allem ging es den West-Deutschen gut. Man hatte sich mit der Teilung des Vaterlandes an der Grenzlinie zweier riesiger Machtblöcke abgefunden. Die Einheit Deutschlands wurde fast nur noch routinemäßig zum 17. Juni beschworen. Der Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR 1953 war in der Bundesrepublik längst zum "Volksbadetag" geworden. Ein Feiertag, an dem man gerne ins Grüne und ans Wasser fuhr. Doch dann schlug die Geschichte einen Haken. Glücklicherweise. Die von vielen im Westen völlig unerwartete friedliche Revolution im Osten Deutschlands schüttelte dort nicht nur die SED-Herrschaft ab, brachte Freiheit und Demokratie, sondern wirbelte auch die bisherige Bundesrepublik durcheinander. Zwei Millionen Ostdeutsche zogen in deren Folge gen Westen, Tausende Westdeutsche versuchten im Osten ihr Glück. Und so wie das Leben nicht nur aus Feiertagen besteht, gab es im Prozess der Wiedervereinigung auch manche Enttäuschung, hartnäckige Vorurteile, Pleiten und Misserfolge. Gleichwohl bleibt die deutsche Einheit, die mit der vom Osten eingedrückten Mauer begann, unter dem Strich eine Erfolgsgeschichte. Angesichts vieler Abspaltungstendenzen in Europa, von Spanien bis Großbritannien, ist die friedlich erreichte deutsche Einheit ein großes Geschenk, das nur allzu leicht vergessen wird. Doch in dem Vierteljahrhundert seit dem historischen Bonn-Berlin-Beschluss wurde beileibe nicht nur das politische Zentrum des Landes vom Rhein an die Spree verlagert, sondern es hat enorme Wandlungen, diverse Umbrüche, unerwartete Entwicklungen gegeben. Statt aus dem lauschigen Bonn wird seit 1999 aus dem lauten, großen, bisweilen ruppigen Berlin regiert. Gab es etwa in Bonn ein eingespieltes, fast vertrautes Verhältnis zwischen Politik und Medien, wurde dies durch Berliner Hektik, teilweise auch Oberflächlichkeit und Schlagzeilenhascherei ersetzt. Und erst recht seit in Berlin die etablierten Parteien eher "in die Mitte" streben, ist links und rechts davon Platz geworden. Die in der Flüchtlingskrise groß gewordene rechtspopulistische AfD ist nach der PDS/Linken die nächste Herausforderung des Parlamentssystems. Es ist vieles im Fluss. Dabei ist selbst der Bonn-Berlin-Beschluss vom 20. Juni 1991 ein Paradebeispiel für eine politisch gewollte Hängepartie. Der Umzug sämtlicher Ministerien nach Berlin, der sinnvoll wäre, weil er etwa unsinnige Reisekosten ersparen würde, ist per Bonn-Berlin-Gesetz von 1994 blockiert. Deutschland leistet sich weiterhin eine luxuriöse Zwangsteilung seiner Regierung. Alte Verteilungskämpfe zwischen Bonn und Berlin werden zementiert. Den Mut, reinen Tisch zu machen und einen Komplettumzug nach Berlin zu beschließen und durchzusetzen, hatten bislang weder Regierung noch Parlament.
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