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Geldanlage-Brief
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"Brexit"-Debatte lähmt die Fed

Finanznachrichten News

Die US-amerikanische Notenbank (Fed) hat den Leitzins unverändert bei 0,25 bis 0,5 Prozent belassen. Wie gehabt wollen die Währungshüter zukünftige Entscheidungen von der weiteren Entwicklung der konjunkturrelevanten Daten abhängig machen. Soweit also alles beim Alten. Es gab aber auch wichtige Veränderungen.

Nur noch eine Zinsanhebung in 2016?

So zeichnen die Fed-Mitglieder in ihren neuen Projektionen einen flacheren Zinspfad als bisher. Unterstellt man jeweils Zinsschritte von 25 Basispunkten, dann erwartet die Mehrheit der Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) zwar in diesem Jahr nach wie vor zwei Zinsschritte, die Anzahl derer, die nur noch eine Zinsanhebung im Jahr 2016 erwarten, ist allerdings seit der vorangegangenen Sitzung im März von eins auf sechs angestiegen.

Oder wie es die Bank Sal. Oppenheim in einer Analyse ausdrückt: „Zwar ist im Median die Erwartung immer noch, dass es zwei Zinsschritte in diesem Jahr geben wird. Eine Analyse der einzelnen Prognosen hingegen zeigt, dass immerhin neun der 17 stimmberechtigten FOMC-Mitglieder ihre Meinung hinsichtlich des angemessenen Zinssatzes für Ende 2016 nach unten revidiert haben.

Zudem wurde die Prognose für die Zinsschritte in den Jahren 2017 und 2018 von zuvor vier Anhebungen pro Jahr auf nunmehr drei abgesenkt. Bis Ende 2017 wird der Leitzins den neuen Projektionen zufolge nur auf 1,625 (zuvor: 1,875) Prozent steigen, bis Ende 2018 auf 2,375 (3,000) Prozent.

Leitzins Prognosen
(Quelle: Sal. Oppenheim)

Angepasste Projektionen

Hintergrund der gedämpften Zinserwartungen könnten angepasste Fed-Projektionen bzw. die dabei reduzierten Erwartungen an das US-Wirtschaftswachstum sein:

Fed-Projektionen zum Wirtschaftswachstum:
2016: 1,9 - 2,0 % (zuvor: 2,1 - 2,3)
2017: 1,9 - 2,2 % (zuvor: 2,0 - 2,3)
2018: 1,8 - 2,1 %

Allerdings ist die Notenbank zeitgleich leicht optimistischer, was die Inflation und die Arbeitslosenrate angeht:

Fed-Projektionen zur Inflationsrate (PCE):
2016: 1,3 - 1,7 % (zuvor: 1,0 - 1,6)
2017: 1,7 - 2,0 %
2018: 1,9 - 2,0 %

Fed-Projektionen zur Arbeitslosenrate:
2016: 4,6 - 4,8 %
2017: 4,5 - 4,7 %
2018: 4,4 - 4,8 % (zuvor: 4,5 - 5,0)

Begründung für den Zinsentscheid: Gemischte Konjunkturdaten und „Brexit“

Begründet wurde die Zinsentscheidung von Fed-Chefin Janet Yellen jedenfalls in der Pressekonferenz nach der Notenbanksitzung mit jüngst gemischten Konjunkturdaten und dem möglichen „Brexit“. Insgesamt blieb die Fed bei ihrer Einschätzung, dass sich die moderate Erholung der US-Wirtschaft fortsetzt und die Erholung auf dem Arbeitsmarkt wieder an Fahrt gewinnen wird. Doch Yellen zeigte sich unzufrieden mit dem US-Arbeitsmarkt, mit der Entwicklung der Inflation und dem Gegenwind aus dem Ausland.

Der mögliche EU-Ausstieg Großbritanniens wurde demnach auf der Zinssitzung intensiv diskutiert und war letztlich auch einer der Faktoren, die zu der einstimmigen Zinsentscheidung geführt haben. Denn das „Brexit“-Referendum könne Konsequenzen für die internationalen Finanzmärkte haben, so Yellen.

Glaubwürdigkeit der Fed leidet

Die Argumentation der Fed ist durchaus plausibel. Liest man jedoch die Kommentare, die sich nach dem Zinsentscheid in den Medien finden, so scheint die Glaubwürdigkeit der Notenbank gelitten zu haben. Interessant wird daher, wie die Fed auf den kommenden Sitzungen entscheidet. Sie sollte ihre Handlungsfähigkeit demonstrieren, sonst verspielt sie noch mehr Vertrauen. Wenn Großbritannien Mitglied der EU bleibt, wäre im Juli eine Zinserhöhung ratsam, sofern sich die Konjunkturdaten nicht auf breiter Basis verschlechtern.

Janet Yellen hat allerdings bereits deutlich gemacht, dass sie erst weitere Arbeitsmarktberichte abwarten will, bevor sie sicher ist, dass es sich bei dem Monat Mai um einen Ausrutscher gehandelt hat. Damit ist eigentlich eine Zinserhöhung auch im Juli bereits unwahrscheinlich.

Fazit

Irgendetwas ist immer, was die US-Notenbank davon abhält, den nächsten Schritt zu tun. Seien es schlechte Daten aus China, wie zu Beginn des Jahres, der US-Arbeitsmarkt oder der Brexit. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es in diesem Jahr nicht mehr zu zwei Zinsschritten kommt.

Natürlich macht es Sinn, auf jeder Sitzung anhand der aktuellen Datenlage über den Leitzins zu entscheiden. Doch die Fed ist damit für die Märkte unkalkulierbarer geworden, als sie es in der Vergangenheit war. Das erhöht die Unsicherheit und damit die Volatilität an den Märkten.

Vor einer Woche schrieben wir daher auch sinnvollerweise, dass die übergeordnete Schaukelbörse angesichts der bevorstehenden Termine (Fed-Zinsentscheid, Verfallstag, „Brexit“-Referendum) noch eine Weile anhalten sollte. Mit Blick auf die Kurse (siehe auch „Geldanlage-Brief“ vom vergangenen Mittwoch) lagen wir damit goldrichtig. Und da bislang lediglich die Fed-Sitzung hinter uns liegt, bleibt die Erwartung unverändert. Der „Brexit“ überschattet inzwischen die gesamte Finanzwelt. Entsprechend rechnen wir erst ab der Woche nach dem Referendum mit einer Kursberuhigung.

 
(Quelle: Geldanlage-Brief vom 19.06.2016)

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Sven Weisenhaus

© 2016 Geldanlage-Brief
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