Regensburg (ots) - Die Bilder des vergangenen Jahres stehen jedem noch vor Augen. Flüchtlinge, die zu tausenden an den bayerischen Grenzen warteten, die überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen, die Feldbetten in den Turnhallen. Das Bayerische Integrationsgesetz, das die CSU nun auf den Weg gebracht hat, wirkt auf den ersten Blick wie der etwas hilflose Versuch, dem gefühlten Chaos jener Tage ein Regelwerk entgegenzusetzen, das alles wieder in geordnete Bahnen lenkt. Doch es ist weit mehr als das. Allzu lange wurde die Debatte um die Ein- und Zuwanderung in Bayern vor allem aus der Angst vor Parallelgesellschaften heraus geführt. Dass diese vor allem da entstehen, wo Integration nicht stattfindet, zeigt ein Blick in die deutsche Geschichte: Als in den 1950er und 1960er Jahren Ausländer vor allem als Arbeiter ins Land geholt wurden, gab es nur wenige Bemühungen, diese Menschen kennen zu lernen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden. Schließlich waren sie Gastarbeiter, und von Gästen erwartet man, dass sie irgendwann wieder gehen. So blieben viele von ihnen unter sich, sprachen ihre Muttersprache, und als sich einige von ihnen entschieden, doch nicht als Gäste, sondern für immer zu bleiben und ihre Familien nachzuholen, änderte sich daran nicht viel. Hier liegen die Wurzeln jener Gebiete, die heute als Problembezirke gelten. Auch aus dem Entwurf für das Bayerische Integrationsgesetz spricht nun vor allem der Wunsch, die Entstehung solcher Bezirke zu vermeiden. Dahinter aber steht die Anerkennung der Tatsache, dass viele der Menschen, die heute auf der Flucht vor Krieg und Armut nach Deutschland kommen, dies eben nicht als temporäre Gäste tun. Sondern dass viele von Ihnen langfristig, manche vielleicht für immer, bleiben werden. Und dass es daher notwendig ist, dass sie ein Teil der Gesellschaft werden. So sind viele der Ideen, die nun im Gesetzesentwurf stehen, sinnvoll. Die Verpflichtung zum Spracherwerb beispielsweise, sofern sie mit der Selbstverpflichtung des Staats verbunden ist, ausreichend qualifizierten Unterricht zu ermöglichen. Oder die Möglichkeit der Wohnortzuweisung, die Migranten Perspektiven abseits der Großstädte ermöglicht, sofern sie mit entsprechenden Perspektiven verbunden ist: All das sind Maßnahmen, die aktiv der Entstehung von Ghettos vorbeugen können. Was den Entwurf bei allen guten Ideen dennoch problematisch macht, ist die feine Nuance zwischen dem Versuch, Migranten als Teil der Gesellschaft zu akzeptieren, und dem, sie zu zwingen, Teil der Gesellschaft zu werden. Akzeptanz bedeutet, die Menschen so anzunehmen, wie sie sind, mit ihrer Religion und ihrem kulturellen Hintergrund, und mit ihnen gemeinsam zu leben. Sie zur Teilhabe zu zwingen heißt, ihnen das Recht auf eigene Entscheidungen abzusprechen. Das ist der unangenehme Beigeschmack, der entsteht, wenn man von all den geplanten Geldbußen und Sanktionen liest. Und es ist der Beigeschmack, der jenem sehr oberlehrerhaften Begriff der Leitkultur anhaftet, der eigentlich längst überwunden schien, der nie richtig mit Bedeutung gefüllt wurde und doch eher nach Assimilation als nach Integration klingt. Und auch zum Begriff der Integration mag ein Wort wie Leitkultur nicht so recht passen, meint doch das lateinische integratio Wiederherstellung ebenso wie Erneuerung. Es wäre ein versöhnlicher Ansatz, die Integration Andersdenkender und Andersgläubiger als Quell der stetigen Erneuerung einer Gesellschaft zu sehen. Die Idee, den bedingungslosen Eintritt in Schwimmbäder oder Bibliotheken vom Aufenthaltsstatus abhängig zu machen, scheint in die Irre zu führen. So wirkt der Entwurf des Integrationsgesetzes noch etwas halbherzig. Und ist dennoch ein Signal: Ein Signal, dass Bayern und die CSU bereit ist, sich ernsthaft und konstruktiv damit auseinanderzusetzen, wie Menschen, die aus fremden Ländern und Kulturen nach Bayern kommen, hier langfristig eine Heimat finden können.
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