Die Ölmärkte haben nach Einschätzung der Internationalen Energie-Agentur (IEA) eine "außergewöhnliche Transformation" durchlaufen und sind von einem großen Überschuss an Rohöl fast zu einem Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im zweiten Quartal übergeschwenkt. Dies berichtet die Agentur in ihrem aktuellen Monatsbericht. Allerdings dämpft sie den Optimismus etwas, weil aus ihrer Sicht die rekordhohen Öllagerbestände die jüngste Stabilität der Preise bedrohen. Trotz der regelmäßigen Aufwärtsrevisionen zum Verbrauch gäbe es Anzeichen, dass die Dynamik des Nachfrageanstiegs nachlässt, so die IEA. Sollte die Nachfrage zukünftig sogar wieder nachlassen, könnten die Lagerbestände angesichts eines dann wieder vorherrschenden Überangebots weiter ansteigen und die Preise wieder fallen.
Vorsichtig optimistisch
Auch die OPEC gab sich jüngst vorsichtig optimistisch. Sie erwartet wegen steigender Nachfrage und sinkender Förderung für das kommende Jahr eine Reduzierung des Überangebots an Rohöl auf dem Weltmarkt. Schon im dritten Quartal dieses Jahres werde die Nachfrage höher als das Angebot liegen, hieß es in dem aktuellen Monatsbericht des Kartells.
Öl hält sich bislang an die erwartete Seitwärtsrange
Bereits in der "Börse-Intern" vom 1. Juli berichteten wir, dass Saudi-Arabiens neuer Energieminister, Khalid al-Falih, das Ende der globalen Rohölschwemme gekommen sah. Aber auch er war nur vorsichtig optimistisch, weil sich die Rohöllagerbestände nach Jahren des Überangebots immer noch auf hohem Niveau befinden.
Derweil folgt der Ölpreis der Sorte Brent bislang unserer Prognose, wonach die Seitwärtsbewegung, in die der Ölpreis eingeschwenkt war, noch eine Weile anhalten könnte. Anfang Juli zeichnete sich eine Seitwärtsrange von ca. 46 bis 53 USD ab. Inzwischen hat der Ölpreis ein Korrekturtief bei 45,90 USD und damit ziemlich exakt am unteren Ende der Range gebildet.
Entsprechend bleibt es bei den Aussagen der vorangegangenen Öl-Analyse: "Einerseits wird von der OPEC ein hoher Ölpreis angestrebt, um möglichst hohe Staatseinnahmen zu generieren. Andererseits ist ein Preis von über 60 USD derzeit nicht erwünscht, weil sonst das Fracking der US-Ölindustrie in der Breite wieder profitabel würde." Aus diesen Argumenten folgte die Erwartung an die anhaltende Seitwärtsbewegung unterhalb von 60 USD.
Ölpreisanstieg wirkt sich auf Inflation aus
Derweil hat der gestiegene Ölpreis auch die erwartete Auswirkung auf die Inflation. Am 1. Juni war hier in der Börse-Intern zu lesen, dass die Erholung der Ölpreise die Inflationsrate schon bald deutlicher ansteigen lassen könnte. "Denn im August 2015 kostete ein Fass Öl bereits rund 50 USD und damit so viel wie heute. Bleibt es dabei, wird sich die Jahresrate der Energiepreise also ganz automatisch von aktuell -8,1 Prozent bis August in den positiven Bereich bewegen. Damit würde die Inflation insgesamt nicht mehr durch die Ölpreise belastet werden", hieß es in der Analyse.
Inzwischen wissen wir, dass der Ölpreis seitdem relativ stabil seitwärts läuft. Entsprechend müsste die Inflation also bereits weniger belastet sein. Und tatsächlich: Der Inflation in der Eurozone ist im Juni bereits ganz knapp die Rückkehr in den positiven Bereich gelungen. Die jährliche Inflationsrate stieg auf +0,1 Prozent, nachdem sie im Mai noch mit -0,1 Prozent im negativen Bereich lag.
(Quelle: Eurostat)
In Deutschland lagen die Verbraucherpreise im Juni sogar um 0,3 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Im Vergleich zum Vormonat stieg der Verbraucherpreisindex um 0,1 Prozent. Dabei wirkte die Preisentwicklung von Energie zwar nach wie vor dämpfend auf die Gesamtteuerung, doch der Rückgang der Energiepreise hat sich im Vergleich zum Vorjahresmonat weiter abgeschwächt. Hatte er im Mai noch -7,9 Prozent betragen, so lag er nun im Juni nur noch bei -6,4 Prozent. Der dämpfende Effekt der bis Jahresbeginn gefallenen Ölpreise lässt also tatsächlich Stück für Stück und Monat für Monat nach.
Vorlaufende Indikatoren deuten auf anhaltenden Trend hin
Übrigens zeichnet sich das gleiche Bild auch in den USA ab. So lag die US-Inflation im Juni bei +0,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Und die US-Erzeugerpreise legten sogar vor allem wegen steigender Energiekosten um 0,5 Prozent zum Vormonat zu.
Da die steigenden Preise der Erzeuger meist zeitverzögert auf die Verbraucher umgelegt werden, ist dies ein Indikator dafür, dass sich der Trend zu höheren Inflationsraten (in den USA) fortsetzt.
Aktienmärkte verlieren einen Unterstützer
Während der dämpfende Effekt für die Inflation nachlässt, könnte er für die Aktienmärkte zunehmen. Denn die Notenbanken kommen ihren Inflationszielen nun automatisch näher. Entsprechend werden neue expansive Maßnahmen unwahrscheinlicher. Die Aktienmärkte verlieren also einen Unterstützer - nämlich die Spekulation auf höhere Liquidität.
Nichtsdestotrotz bleiben die Notenbanken natürlich auf absehbare Zeit extrem expansiv, so dass zwar mit der Spekulation auf neue Maßnahmen ein Kurstreiber wegfällt, aber mit den bereits beschlossenen Maßnahmen der Notenbanken eine wichtige Kursstütze erhalten bleibt. Am morgigen Donnerstag berichtet übrigens die EZB über ihre zukünftige Geldpolitik.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus