Wichtiger Hinweis in eigener Sache: Die "Börse-Intern" geht ab morgen, Freitag, den 22.7.2016, in die alljährliche Sommerpause. Die nächste Ausgabe erhalten Sie am 02.08.2016.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Leitzinsen unverändert belassen. Sie behielt den Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte bei 0,00 Prozent und den Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität 0,25 Prozent. Die Einlagefazilität, also der Strafzins, den Banken und Sparkassen zahlen müssen, blieb bei -0,40 Prozent. Der EZB-Rat geht weiterhin davon aus, dass die EZB-Leitzinsen für längere Zeit und sogar weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden.
Auch keine Änderungen am Anleihekaufprogramm
Darüber hinaus gab es auch keine Änderungen am Volumen der Ankäufe von Anleihen. Der Umfang bleibt mit monatlich 80 Mrd. Euro bis Ende März 2017 bzw. insgesamt 1,74 Billionen Euro unverändert. Die EZB wies erneut darauf hin, dass die Käufe erforderlichenfalls verlängert werden und in jedem Fall so lange anhalten, bis eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennbar wird, die mit dem Inflationsziel der EZB im Einklang steht.
Im Vorfeld der Sitzung galt zwar eine erneute Zinssenkung bereits als unwahrscheinlich, vor dem Hintergrund des Brexit-Votums gab es jedoch Spekulationen über eine Änderung der Regeln für die Anleihekäufe. Aktuell darf die Notenbank keine Titel kaufen, deren Rendite unter dem Einlagenzins von minus 0,4 Prozent liegt. Da man hier Engpässe kommen sieht, waren einige Marktteilnehmer von einer Anpassung der Modalitäten ausgegangen.
EZB-Zinsentscheid ging an den Börsen spurlos vorüber
Weil aber letztlich die mehrheitlichen Erwartungen des Marktes getroffen wurden, ging die Zinsentscheidung an den Börsen spurlos vorüber. Erst zur Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid kam etwas mehr Bewegung in den Markt, auch wenn die Kurse auch dabei unter erhöhter Volatilität nahezu auf der Stelle traten.
Mario Draghis Sicht auf die Dinge
EZB-Chef Mario Draghi sagte in der Pressekonferenz, die vorliegenden Daten würden auf ein anhaltendes Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2016 hindeuten, auch wenn dieses unter der Rate des ersten Quartals liegen könnte. Die Wirtschaft erhole sich jedoch weiterhin in einem moderaten Tempo. Sie werde weiterhin vom relativ niedrigen Ölpreis gestützt. Die Inflation werde in den kommenden Monaten voraussichtlich niedrig bleiben, jedoch weiter anziehen und auch in 2017 und 2018 weiter steigen. Der Anstieg im Juni sei vor allem auf höhere Energiepreise zurückzuführen. Das Brexit-Votum hätten die Märkte gut verkraftet, man könne die Auswirkungen auf die Wirtschaft jedoch erst besser beurteilen, wenn die Daten der kommenden Wochen und Monate zur Verfügung stünden. Das Wachstum der Geldmenge sei robust und die Kreditbedingungen für Unternehmen und Haushalte hätten sich weiter verbessert. Den schwarzen Peter schob Draghi erneut der Politik zu, weil diese das Tempo bei der Umsetzung von Strukturreformen erhöhen und den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten müsse. Nur so können die geldpolitischen Maßnahmen ihre volle Wirkung entfalten.
Keine Quelle für neue Informationen
Damit hat Herr Draghi eigentlich alles das sehr gut zusammengefasst, was Ihnen aus den vorangegangenen Ausgaben der "Börse-Intern" längst bekannt war. Insofern waren der Zinsentscheid sowie die Pressekonferenz keine Quelle für neue Informationen. Interessant war zusammenfassend lediglich, dass die EZB bzw. ihr Frontmann Draghi im Brexit-Votum derzeit kein kritisches Risiko für den Wachstumspfad sahen. Vielmehr hat man die Ruhe, die kommenden Daten abzuwarten.
ZEW-Index geht nach Brexit in die Knie
Ganz anders sahen dies offenbar die meisten Finanzexperten. Denn der erste Stimmungsindikator, der seit dem Brexit-Votum veröffentlicht wurde, ist deutlich eingebrochen. So fielen die ZEW-Konjunkturerwartungen, die auf einer Umfrage unter 220 Analysten und Anlegern basiert, im Juli um 26 Punkte auf minus 6,8 Zähler und damit auf den niedrigsten Stand seit November 2012.
(Quelle: ZEW)
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer
Ob die Konjunktur im laufenden Jahr aufgrund des britischen Brexit-Votums tatsächlich größeren Schaden nimmt, muss sich aber erst noch zeigen. Hier sind sich die Ökonomen uneinig. Entsprechend sollte man aus einem einzelnen Rückgang noch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Erst wenn die einzelnen Stimmungsindikatoren auch in den kommenden Monaten schwach bleiben, deutet dies auf tatsächliche Probleme der Realwirtschaft hin. Da größere Finanzmarktturbulenzen jedoch ausblieben, ist durchaus denkbar, dass Konjunkturbarometer wie der ZEW-Index bereits im kommenden Monat wieder zulegen.
EZB und ZEW ohne nachhaltigen Einfluss auf die Kurse
Und daher verwundert es auch nicht, dass nicht nur die EZB-Zinsentscheidung nahezu spurlos an den Märkten vorbei gegangen ist, sondern auch der ZEW-Index keinen nachhaltigen Einfluss auf die Kurse hatte. Und so halten sich die Aktienmärkte auf ihren erreichten Niveaus.
Gelingt dem DAX der Sprung in den Target-Bereich?
Der DAX machte sich derweil heute daran, seinen Durchhänger nach dem Brexit-Votum der Briten vollständig zu egalisieren. Vor dem Brexit-Votum stand der Index bei 10.257 Punkten. Heute wurde ein neues Trendhoch bei 10.195,65 Punkten markiert. Kann der DAX seine aktuelle Aufwärtsdynamik fortsetzen, wozu ein Sprung über eine Abwärtslinie (rot im Chart) nötig wäre, dann könnte bis zum Monatsende das Zentrum des Target-Bereichs (gelb) erreicht werden. (Es ist, wie schon geschrieben, nur ein Target-Bereich - kein klassisches Alpha- oder Beta-Target.)
In diesem Fall hätte der Index auch wieder exakt das obere Ende seiner Seitwärtsrange erreicht. Hier müsste man dann wohl zunächst mit einer Konsolidierung rechnen, zumal dort auch die wichtige Linie des Abwärtstrendkanals verläuft.
Kommt es dort jedoch zum Ausbruch, dürfte der DAX einen Großteil des Aufholpotentials zu den bereits auf Allzeithoch notierenden US-Indizes ausreizen. Fallen hingegen die US-Indizes unter ihre ehemaligen Allzeithochs zurück und senden damit ein Fehlsignal, dann dürfte die Seitwärtsrange im DAX wohl noch eine Weile anhalten. Das ist der Fahrplan für die kommenden Wochen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus