Regensburg (ots) - Jetzt laufen sie also offiziell, die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro. Und obwohl dort Hunderte Athleten am Start sind, die sich nie etwas zuschulden kommen ließen, steht diese größte Sportveranstaltung auf dem Erdball wie ein verurteilter Täter unter Bewährung. Ja, selbst diese Bewährung müsste eigentlich verwehrt werden, zu viele Wiederholungstaten und Verfehlungen sind offenbar geworden. Die Rahmenbedingungen für einen fairen Wettstreit fehlen. Wieder einmal, wie schon vor den Winterspielen 2014 im russischen Sotschi, wurden zahlreiche Einwohner der Olympiastadt auf fragwürdiger Rechtsgrundlage aus ihren Häusern vertrieben, um Platz zu schaffen für Wettkampfstätten oder Infrastruktur. Einen Ausgleich für das Verlorene erhalten nur ganz wenige und nicht selten werden die Stadien und Verkehrstrassen nach den Spielen nicht mehr oder kaum mehr gebraucht. Heerscharen von Funktionären, (Kommunal-)Politikern und Lobbyisten halten die Hand auf, wenn die großen Entscheidungen wie Vergabe der Spiele, Zuschläge für TV-Rechte und die Aufträge für lukrative Bauprojekte anstehen. Das Bau-Unternehmen Odebrecht hat in Rio das Athletendorf errichtet. Später sollen Luxuswohnungen daraus werden. Odebrecht ist in zahlreiche Korruptionsfälle verwickelt. Rios Bürgermeister Eduardo Paes gibt sich seit langem als Ritter der olympischen Idee, beklagt die Verfehlungen der nationalen Regierung und die damit verbundene Wirtschaftskrise im Land. Paes ist es aber auch nicht gelungen, die Stadt rechtzeitig in den Olympia-Startblock zu stellen. Auch jetzt fließen täglich eklige Abwässer in die Guanabara-Bucht, wo die Segelwettbewerbe stattfinden. Multiresistente Keime wurden dort zuhauf nachgewiesen. Ach ja, und gegen Paes laufen Ermittlungen. Er steht auf Gehaltslisten von Odebrecht. Obwohl wir wissen, dass es schon zu Zeiten des Kalten Krieges organisiertes Staatsdoping gab und die Erfolge der Athleten die Überlegenheit des jeweiligen Systems dokumentieren sollten, kämpft der Sport heute mehr denn je um seine Glaubwürdigkeit. Das liegt an den Top-Funktionären. Die ehemaligen Inhaber der Spitzenämter im Weltfußball-Verband werden seit einiger Zeit von einer US-Ermittlerin erfolgreich in die Mangel genommen und jetzt zieht das Internationale Olympische Komitee (IOC) gewissermaßen nach. Die Welt-Antidoping-Agentur hat Russland Doping-Vertuschung unter anderem durch Mitglieder des russischen Nationalen Olympischen Komitees nachgewiesen. Statt dieses unglaubliche Geschehen in Sotschi 2014 mit dem logischen Ausschluss aller russischer Sportler für Rio zu sanktionieren, konnte sich das IOC mit dem deutschen Präsidenten Thomas Bach nur zu einem Startverbot für die Leichtathleten entschließen. In den anderen Sportarten sollen jeweils die internationalen Fachverbände entscheiden. Eine Farce. Zudem wirft der deutsche Leichtathletik-Präsident und Direktor des Amtsgerichts Regensburg, Clemens Prokop, dem IOC nachvollziehbar einen Rechtsbruch vor: Obwohl Mittelstrecken-Läuferin Julia Stepanowa, die den Dopingskandal durch ihre Aussagen erst ins Rollen gebracht hat, eine Sperre verbüßt und damit Startrecht hat, darf sie in Rio nicht dabei sein. All das im Hinterkopf, fällt es dem interessierten Olympia-Zuschauer schwer, sich noch in diese emotionalen, magischen Momente hineinziehen zu lassen, die den Sport so schön machen. Aber wer sich mitreißen lassen will, muss Vertrauen haben. Und das ist nur mit einer klaren, harten, kompromisslosen Linie zu erreichen: weg vom Gigantismus, moderate Rechtevergaben, Austragung der Spiele nur dort, wo Menschenrechte genau eingehalten werden und bereits viele Wettkampfstätten vorhanden sind sowie ein knallhartes, weltweites Antidoping-Kontrollsystem! Der Sport agiert unter Bewährung. Nicht alle Unregelmäßigkeiten und Missstände werden mit einem Schlag zu beseitigen sein. Aber die Richtung muss stimmen. Für Rio bleibt jetzt nur noch die Hoffnung auf möglichst viele saubere Wettbewerbe. Das wäre immerhin ein Anfang.
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