Bielefeld (ots) - Wer Politiker und Experten fragt, wie es um die Wirtschaft in den USA steht, bekommt ein verwirrendes Puzzle an Antworten. Ob das Glas halb voll oder halb leer ist, hängt sehr von der politischen Einstellung ab. In der Lesart Donald Trumps durchleiden die Amerikaner eine der schwächsten Wachstums-Phasen seit dem Zweiten Weltkrieg. Richtig ist, dass die Wirtschaft seit Ende der »großen Rezession« 2009 nur um 15,5 Prozent gewachsen ist. Da können andere westliche Industrieländer viel bessere Zahlen vorlegen. Trump hat auch Recht, wenn er den Zustand amerikanischer Flughäfen, Straßen und Brücken beklagt. Ehrlicherweise müsste er diese Kritik nicht gegen Barack Obama, sondern den republikanisch geführten Kongress richten, der mit seiner Rotstift-Politik Investitionen verhinderte. Richtig ist auch die Beobachtung, dass der Aufschwung viele Amerikaner nicht erreicht. Das lässt sich an einer anderen Zahl ablesen, die von Statistikern als »U-6«-Rate erfasst wird. Diese Erwerbslosen-Quote berücksichtigt auch Personen unter dem Rentenalter, die die Jobsuche aufgegeben haben. Diese Zahl ist mit 9,7 Prozent fast doppelt so hoch wie die offizielle Arbeitslosigkeit. An diese Gruppe appelliert Trump mit seinem zum Programm erklärten Handelsprotektionismus. Strafzölle gegen China und Mexiko treffen den populistischen Nerv, machen die Situation aber nicht besser. Im Gegenteil. Experten erwarten bei einem Handelskrieg einen Konjunktureinbruch. Aus dem Blickwinkel Hillary Clintons und US-Präsident Barack Obamas ergibt sich ein ganz anderes Bild der Wirtschaft. Demnach erleben die USA eine der längsten Aufschwungphasen in der Geschichte. Tatsächlich riss Obama die US-Wirtschaft nach seiner Wahl 2009 mit einem fast eine Billion Dollar schweren Investitionsprogramm vom Abgrund einer Depression zurück. Der Präsident erbte einen Arbeitsmarkt, der jeden Monat fast 800 000 Jobs verlor. Dass 2016 im Jahresschnitt monatlich 186 000 Arbeitsplätze hinzukommen, belegt die Kehrtwende. Allein im Juli wuchs der Arbeitsmarkt um 255 000 Jobs. Mit 4,9 Prozent haben die USA eine der niedrigsten Erwerbslosen-Quoten seit langem. Besonders ermutigend aus Sicht der Regierung ist auch die Entwicklung bei den Löhnen und Konsum. Die Stundenlöhne wachsen schneller als die Inflation, was bei vielen Amerikanern zu Recht das Gefühl hinterlässt, mehr Geld in der Tasche zu haben. Zweifelsohne hat die Privatisierungspolitik der vergangenen 30 Jahre zusammen mit der Globalisierung Verlierer produziert, die seit Jahren persönlich keine wirtschaftliche Fortschritte mehr gemacht haben. Wer auch immer die Geschicke der USA vom November an bestimmen wird, kommt an diesen Realitäten nicht vorbei.
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