Regensburg (ots) - Klimawandel, Atomtests, Plastikmüll im Meer, Bodenzerstörung - unser Einfluss auf die Welt ist so groß, dass viele Folgen irreversibel sind. Nur 200 Jahre hat die Menschheit gebraucht, um den Planeten an den Rand seiner Belastbarkeit zu führen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern nahm diese Entwicklung jetzt zum Anlass, ein neues Erdzeitalter vorzuschlagen - das menschengemachte Zeitalter. Islamistischer Terror, Flüchtlingsströme, neue Konfrontation mit Russland - angesichts dieser Krisen könnte man die Diskussion schnell als exotischen Beitrag spleeniger Wissenschaftler abtun. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Die Forscher legen den Finger genau in die Wunde. Denn viele der handfesten politischen Krisen stehen im Zusammenhang mit dem rücksichtslosen Raubbau auf unserem Planeten. Auch der vergangene Sommer war zu warm und 2016 wird wohl als eines der heißesten Jahre in die Wetterhistorie eingehen. Die Fieberkurve des Planeten steigt seit zwei Dekaden kontinuierlich. Und die ausgeprägten Hitzewellen, die wir in der jüngeren Vergangenheit erlebten, sind Indizien für den vom Menschen verursachten Klimawandel. Die Erwärmung hat in weiten Teilen der Welt weitaus dramatischere direkte Folgen als in Europa: Im Hungergürtel der Erde wird sie - gepaart mit Nahrungsknappheit und Wassermangel - zu immer schärferen Verteilungskämpfen führen. Und dazu, dass der Flüchtlingsstrom nicht abebbt. Niemand sollte sich in die Tasche lügen: Bereits jetzt gibt es zahllose Klimaflüchtlinge - vor allem in Ostafrika, der Subsaharazone und Teilen Asiens. Auch mit Blick auf Syrien ist eine Debatte entbrannt, inwieweit der dortige Bürgerkrieg und die Flucht von Millionen Menschen mit der jahrelangen Dürre zusammenhängen, unter der das Land litt. US-Präsident Barack Obama jedenfalls bezeichnete die Syrer, die sich auf den Weg nach Europa machten, jüngst als Klimaflüchtlinge. Natürlich muss man auf der Hut sein, damit der Klimawandel nicht instrumentalisiert wird als Deckmäntelchen für alle möglichen politischen Missstände in einzelnen Ländern. Auch ungerechte Gesellschaftsstrukturen, staatliche Misswirtschaft und Korruption führen vielfach zu sozialen Schieflagen, Massenverarmung und gescheiterten Staaten, die nebenbei einen fruchtbaren Nährboden für Terrorgruppen aller Art bilden. Doch der verheerende Einfluss von Dürren und anderen Wetterextremen auf die Lebensbedingungen von Millionen Menschen in unterentwickelten Ländern lässt sich nicht wegleugnen. Neben Klimakatastrophen bereitet das rasante Bevölkerungswachstum in vielen afrikanischen Staaten vielen Experten Sorge. Allein in Nigeria könnte sich die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln - auf dann 400 Millionen. Auch das wird - wenn niemand gegensteuert - zwangsläufig zu einem Exodus aus Afrika führen. Dann könnten wir in den nächsten Jahrzehnten einen beispiellosen Ansturm der Armen und der Hoffnungslosen nach Europa erleben, der die Flüchtlingsströme der vergangenen zwölf Monate in den Schatten stellt. Klimaschutz leistet zweifellos einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Krisen und drohende Verteilungskriege. Doch mindestens genauso wichtig wäre die Stabilisierung schwacher Staaten. Bei der Bundesregierung ist diese Erkenntnis zwar angekommen. Doch die industrialisierte Welt tut nach wie vor viel zu wenig, um die Fluchtursachen in Krisenländern zu bekämpfen und den Menschen dort Bleibeperspektiven zu geben. Solange dort Armut, Hunger und Kriege herrschen, und solange gleichzeitig immer größere Landstriche durch Klimaextreme unbewohnbar werden, wird es die Leute nach Europa ziehen. 200 Jahre hat es gedauert, bis der Mensch den Planeten irreversibel verändert hat. Wir sollten nicht weitere 200 Jahre sehenden Auges auf die Katastrophe zurasen. Sonst diskutieren Forscher demnächst, wann das postmenschliche Zeitalter beginnen wird.
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