Cottbus (ots) - Für die Opposition war es schon mal leichter, den Bundeshaushalt und die für ihn Verantwortlichen zu kritisieren. Man denke nur an frühere Finanzminister wie Theo Waigel oder Hans Eichel, die immer wieder vergeblich darauf hofften, dass die Ausgaben mit den Einnahmen Schritt halten und sich deshalb ständig neue Milliarden von den Banken pumpen mussten. Dieses Problem hat Wolfgang Schäuble nicht. Der Bund nimmt schon seit Längerem deutlich mehr ein, als er ursprünglich an Ausgaben veranschlagt hat. Von solchen paradiesischen Zuständen hätten Waigel und Eichel nicht einmal zu träumen gewagt. In Zeiten munter sprudelnder Steuerquellen, immer neuer Beschäftigungsrekorde und steigender Löhne macht haushalten auch regelrecht Spaß. Nun könnte man Schäuble vorwerfen, dass er die Investitionen lange vernachlässigt hat. Das stimmt auch teilweise. Marode Brücken und baufällige Straßen sind dafür sichtbare Zeichen. Wahr ist allerdings auch, dass es mittlerweile vielerorts weniger am Geld als an Bau- und Planungskapazitäten mangelt, um die Versäumnisse zu beheben. Viele Bürger bekommen das übrigens auch ganz persönlich zu spüren, wenn sie etwas an ihrem Häuschen reparieren lassen wollen, dafür aber immer länger auf die Handwerker warten müssen. Das wirkliche Problem in Schäubles Haushaltsplanungen steckt woanders: Man kann ihm zu Recht vorwerfen, dass er seinen Etat eher verwaltet als gestaltet. In erster Linie gilt das für die Steuerpolitik. Zweifellos ist die schwarze Null eine wichtige Errungenschaft. Aber sich allein auf einem schuldenfreien Etat wegen der wirtschaftlich günstigen Umstände auszuruhen, ist zu wenig für eine Regierung, die mit dem Anspruch angetreten ist, das Land stetig zu modernisieren. Schäuble hat das zu lange getan und setzt es auch jetzt noch fort. Er vertröstet die Öffentlichkeit mit einer Steuerreform für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl. Die Entlastungsspielräume sind aber jetzt schon da. Trotz aller zusätzlichen Ausgaben für die Integration der vielen Flüchtlinge. Dass die SPD den Kassenwart nun scheinbar konstruktiv zum schnellen Handeln für eine Steuerreform drängt, hat allerdings nur mit Wahlkampf zu tun. Auch die Sozialdemokraten hätten schließlich genug Zeit gehabt, sich für durchgreifende fiskalische Veränderungen ins Zeug zu legen. Reformbedürftig ist das Steuersystem allemal. Nicht nur, dass mittlerweile schon gut verdienende Facharbeiter vom Spitzensteuersatz betroffen sind, derweil selbst Erben großer Vermögen mit steuerpolitischer Milde rechnen können. Auch die dubiose Handhabung der ermäßigten und vollen Mehrwertsteuersätze auf Waren und Dienstleistungen schreit nach einer Generalüberholung. Die Opposition liegt durchaus richtig, wenn sie Schäubles Etat trotz der schwarzen Null einen Haushalt der verpassten Chancen nennt.
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