Regensburg (ots) - Vor drei Monaten haben sich die Briten für den Brexit entschieden. Seitdem heißt es vor allem warten. Es ist ein bisschen, als säße man in einem Zug, der auf freier Strecke halten musste. Die Weiterfahrt verzögert sich auf unbestimmte Zeit. Die Ungeduld der Passagiere wächst mit jeder Minute, in der sie nicht wissen, wie es nun weitergeht. Wie schnell Bewegung in die Brexit-Verhandlungen kommt, hängt von den Briten ab. Ausgerechnet den Briten möchte man hinzufügen, reihen sie sich doch zumindest dem Klischee nach klaglos in jede auch noch so lange Warteschlange ein. Für Geduldsprobe scheinen sie also gut gerüstet. Die britische Regierung jedenfalls hat sich bislang mit ihrem Spiel auf Zeit ganz gut gegen das Drängen der EU-Vertreter behauptet. London hat keine große Eile, mit den Brexit-Verhandlungen zu beginnen. Das liegt auch daran, dass die Premierministerin an ihrer Roadmap - also der Karte, die den Weg hinaus aus der EU weisen soll - noch immer zeichnet, rechnet, radiert und umzeichnet. Noch kommt sie damit durch. Aber die britischen Wähler sitzen ihr mit ihrer Hauptforderung im Nacken: das Vereinigte Königreich gegen alle Formen unkontrollierter Zuwanderung abzuschotten. Und auch die drei Brexitiere im Kabinett - David Davis, Liam Fox, Boris Johnson - machen Druck. Die große Schwierigkeit für die britische Regierungschefin Theresa May besteht darin, dass sie gleichzeitig die langfristigen negativen Folgen eines EU-Austritts in Grenzen halten muss. Zwar hat sich die Börse nach einem Absturz der Kurse wieder beruhigt und auch das Pfund ist fast wieder auf Vor-Brexit-Niveau, doch andererseits ist die Zahl der unbefristeten Stellen so tief gesunken wie zuletzt im Jahr 2009, als die Finanzkrise herrschte. Britische Firmen produzieren und exportieren weniger. In diesem Jahr wird sich das Wirtschaftswachstum deutlich verlangsamen und die Aussichten für 2017 sind sogar noch schlechter. Aus einer Position der Stärke heraus werden die Briten also nicht verhandeln können. Die EU wiederum ist ihrerseits zutiefst verunsichert. Nach dem Brexit-Schock muss sie sich neu aufstellen. Das Wie ist offen. Soll es zurück zu mehr Nationalstaatlichkeit gehen? Oder gibt es eine neue Idee für Europa, um die sich der Staatenbund wieder festigt? Eine einheitliche Linie ist noch nicht gefunden. Beim Gipfeltreffen in Bratislava gelang kein großer Sprung. Worauf sich die Staats- und Regierungschefs einigen konnten, waren Pläne für gemeinsamen Grenzschutz, mehr Zusammenarbeit bei der Verteidigung und außerdem ein paar neue Projekte gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Einig waren sie sich auch darin, dass sie praktische Lösungen für konkrete Probleme liefern wollen. Diese Lösungen müssen aber groß ansetzen, denn welcher Bürger mag sich beispielsweise schon über 5G für die Handynutzung in Europa Gedanken machen, wenn er sich um seinen Arbeitsplatz sorgt? Was in weiten Teilen der EU nötig ist, um abgehängte Landstriche an den Wohlstand reicherer Regionen heranzuführen, sind Strukturprogramme. Aber die kosten richtig viel Geld. Mut macht, dass in Bratislava der deutsch-französische Motor wieder angeworfen wurde. Er stottert zwar und läuft höchstens in Schrittgeschwindigkeit, aber immerhin. Der europäische Zug könnte wieder ins Rollen kommen. Wirklich Fahrt wird er erst nach 2017 wieder aufnehmen. Dann gibt es Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland. Die Weichen für die EU können wohl erst danach neu gestellt werden. Wie bei Zugverspätungen hilft den zum Warten Verdammten vorläufig nur eines: Geduld aufbringen.
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