Regensburg (ots) - War es unheimliche Ignoranz, schlichte Überforderung oder gar das stillschweigende Gewährenlassen? Dass sächsische Justizbehörden den Selbstmord des mutmaßlichen Terroristen Dschaber al-Bakr nicht verhindern konnten, ist ein Fall von Staatsversagen, ist ein juristischer und politischer Skandal. Und dies war leider nicht das erste Mal, dass Polizei und Justiz des Freistaates beim Einsatz gegen gefährliche Extremisten und Terroristen dramatisch versagten. Die jüngsten Sprengstoffanschläge von Dresden sind bislang nicht aufgeklärt. Und das Mördertrio NSU konnte jahrelang unbehelligt von Zwickau aus agieren. Hinter den vielen Pannen in Sachsen steckt offenbar kein böser Zufall, sondern eine unfähige und unwillige politische Leitung. Der mutmaßliche Bombenbauer aus Syrien konnte sich am Wochenende trotz Großeinsatzes der Polizei in Chemnitz unbehelligt aus dem Staube machen. Nur couragierten Landsleuten in Leipzig war es zu verdanken, dass der Terrorist Tage später in der sächsischen Messestadt gefasst werden konnte. Doch selbst dieser glückliche Umstand wurde durch die Unfähigkeit in der Justizvollzugsanstalt Leipzig zunichte gemacht. Die gestrigen Erklärungsversuche des Dresdner Justizministers und des Chefs der JVA in Leipzig waren dürftig. Sie offenbarten eine himmelschreiende Unfähigkeit, mit einem solch brisanten Fall umzugehen. Beide bemäntelten zudem ihre Fehler mit gesetzlichen Vorschriften, mit dem Gutachten einer Anstaltspsychologin und anderem mehr. Wer jedoch im Fall eines potenziellen Selbstmordattentäters einen Suizid in der Gefängniszelle ausschließt, der ist schlicht am falschen Platz, dem mangelt es vor allem an gesundem Menschenverstand. Der Brisanz des Falles waren sich die beteiligten sächsischen Behörden offenbar nicht bewusst. Wer so offen seine Unfähigkeit demonstriert wie Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow, darf in Deutschland nicht länger ein Ministeramt innehaben. Es ist höchste Zeit, dass sein Chef, Ministerpräsident und Bundesratspräsident Stanislaw Tillich, seinen Unionskollegen abberuft. Doch das wird Tillich allem Anschein nach nicht tun. Der Dresdner Regierungschef handelt offenbar lieber nach der Devise: nur keine Fehler eingestehen, nur keine Konsequenzen ziehen. Dabei wäre es mit dem Rauswurf des unglücklichen Ministers, gleichsam als politisches Bauernopfer, ohnehin nicht getan. Auch die Strukturen und die Geisteshaltung der Behörden im Kampf gegen Terroristen und Extremisten müssen verändert werden. In Sachsen, aber auch anderswo in Deutschland. Mit dem Tod des Terrorverdächtigen in Leipzig verlieren die deutschen Sicherheitsbehörden offenbar auch eine wichtige Quelle für Informationen über das Wirken der Terrororganisation "Islamischer Staat". Hätte al-Bakr nämlich ausgesagt, was mit Blick auf eine daraus folgende Reduzierung seiner Strafe durchaus möglich gewesen wäre, hätten die Behörden Einblick in den weitgehend verschlossenen Kosmos von islamistischen Terroristen erlangen können. Es hätte vermutlich klarer werden können, wie diese Islamisten Anhänger und Selbstmordattentäter rekrutieren und führen. Bislang gehen die Erfolge deutscher Sicherheitsbehörden im Kampf gegen diese Terroristen vor allem auf Hinweise befreundeter Dienste zurück. So oder so muss das Staatsversagen in Sachsen aufgeklärt werden. Rückhaltlos. Und es müssen Konsequenzen gezogen werden. Nicht nur personelle.
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