Regensburg (ots) - Wäre Horst Seehofer nicht in zwei politischen Ämtern in Bayern gebunden, er könnte im Nebenjob gut und gerne eine Sphinx in Ägypten abgeben. Jetzt hat der CSU-Chef und Landesvater Bruchstücke seiner Strategie offenbart. Doch wiederum spricht er nur in Rätseln. An der Entschlüsselung seiner kryptischen Ankündigungen will er sich nicht beteiligen. Darüber sollen sich doch andere, Parteifreunde und -feinde, den Kopf zerbrechen. Mit diebischer Freude hat Seehofer wieder mal einen Stein ins Wasser geworfen, dessen Wellen nicht nur an der Isar, sondern auch an der Spree hochschlagen. Offenbar will der CSU-Chef und Meister der vielsagenden Andeutung erstens den Druck auf seinen Möchtegern-Nachfolger Markus Söder erhöhen. Zweitens diszipliniert er die eigene Partei. Seehofer stellte noch einmal unmissverständlich klar: er bestimmt die politische Agenda, das Personal und den Zeitplan der Christsozialen. Eine solche Machtfülle in den Händen eines CSU-Granden gab es vorher nur in den Hochzeiten von Strauß und, mit Einschränkungen, bei Stoiber. Drittens jedoch will Seehofer mit seinem jüngsten Vorstoß auch die größere Schwesterpartei sowie die Kanzlerin ermahnen: Die CSU kann auch noch ganz anders. Eine erneute Kanzlerkandidatur von Angela Merkel für die gesamte Union dürfte nur eine von Seehofers Gnaden sein. Aber für einen solchen Gnadenakt müsste die CDU-Vorsitzende dem bayerischen Löwen noch viel weitergehende Zugeständnisse bei dessen Leib-und-Magen-Thema Flüchtlingsobergrenze machen. Doch indem Seehofer Merkel nun erneut ein Ultimatum stellt, erschwert er eine rasche und gesichtswahrende Verständigung mit der CDU-Chefin. Die kleinlichen Hakeleien, ob Merkel überhaupt zum CSU-Parteitag Anfang November eingeladen wird oder nicht, zeigen im Grunde nur, dass Seehofer ein politisches Thema künstlich am Kochen halten will, das in der Realität an Brisanz verloren hat. De facto exisitiert eine Art Obergrenze längst. Der Vertrag der EU mit Erdogan, die nahezu geschlossene Balkan-Route und mehr Druck auf Flüchtlinge, die keinen Anspruch auf Zuflucht und Asyl in Deutschland haben, nehmen dem Flüchtlingsthema nach und nach die enorme politische Sprengkraft. Mit Blick auf den wabernden Kampf seiner potenziellen Nachfolger muss sich Seehofer zugleich fragen lassen, was will er eigentlich? Will er Söder, der sich mit Händen und Füßen sträubt, doch nach Berlin als Speerspitze der Christsozialen entsenden? Oder plant Seehofer, selbst als Lord-Siegel-Bewahrer der CSU nach Berlin zu gehen? Als Minister dürfte ihm das ziemlich schwerfallen. Als Landesgruppenchef erst recht. Zumal dieser Posten, den die moderate Gerda Hasselfeldt nur noch bis zur Bundestagswahl ausübt, für Seehofer mindestens zwei Nummern zu klein sein dürfte. Immerhin, so viel lässt der CSU-Chef durchblicken, wird er die CSU-Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl 2017 übernehmen. Ja, wer denn sonst? Doch rätselhaft bleibt, will Seehofer ein geordnetes oder ein chaotisches Verfahren für die Auswahl und Wahl seiner Nachfolge? Der chaotische Anti-Stoiber-"Putsch" von Erwin Huber und Günter Beckstein 2007 bescherte Bayern und der CSU zwar die Ämterteilung, zugleich aber auch ein - aus CSU-Sicht -Fiasko bei der folgenden Landtagswahl. Nicht gerade spannungsfrei war auch das Verhältnis zwischen Edmund Stoiber als Ministerpräsident und Theo Waigel, der als Finanzminister unter Helmut Kohl in dessen Kabinettsdisziplin eingebunden war. Die Erfahrungen anderer Parteien zeigen hinlänglich, dass Doppelspitzen so ihre Tücken haben. Sie sind oft nicht spitz genug.
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