Frankfurt (ots) - So wie heute war die Welt noch nie. Die globale Bevölkerungsstruktur sah früher anders aus, und noch nie gab es eine Wirtschaftsstruktur mit einem solchen technologischen und sozialen Wissen wie heute. Und doch glauben wir, Regeln der Vergangenheit würden für diese Welt auch in Zukunft ihre Gültigkeit behalten.
Diese triviale Erkenntnis weist auf ein Dilemma hin, in dem sich Investoren stets wiederfinden. Welche Erwartungen sind angemessen? Eine Orientierung fällt heute aber schwerer als früher. Folgt man den Worten von Klaus Regling, Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), wächst die Eurozone derzeit - trotz Risiken, die dabei nicht unerwähnt bleiben - ziemlich dynamisch. Die Wachstumsrate liege über dem Potenzialwachstum, die Output-Lücke schließe sich, heißt es. Ja, das Pro-Kopf-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liege in etwa wieder auf der Höhe des US-Wachstums. Und dies bis dato auch noch mit wenig Inflation. Gibt es dafür eigentlich einen Ausdruck: Wachstum ohne Inflation? Wird dies die Normalität der nächsten Jahre sein? Ist einfach alles prima?
Verfestigtes Denkmuster
Nach der Mean-Reversion-Theorie müsste aber die Inflation nach einer Phase der Deflation oder Disinflation irgendeinmal zurückkehren. Die Anleihenmärkte würden nach Jahrzehnten der Hausse eines Tages einfach einmal eine Wende einlegen. Auch der Bad Homburger Vermögensberater Feri meint, im Markt sei ein "verfestigtes Denkmuster einer deflationären Welt", und warnt von einem "blinden Fleck an den Rentenmärkten", was Risiken für eine Kurskorrektur betreffe.
Befürworter dieser These werden sich dieser Tage bestätigt sehen. Weltweit steigen die Renditen an den Staatsanleihemärkten. Die Bundesanleihen könnten im Oktober - noch steht der letzte Handelstag aus - gar die schlechteste Monatsperformance seit dem Jahr 2013 eingefahren haben. Zu Wochenschluss lagen auch für fünfjährige Laufzeiten die Renditen wieder über dem Einlagensatz von -0,4% der Europäischen Zentralbank (EZB), das heißt, diese Papiere können im Rahmen des Anleihekaufprogramms wieder erworben werden. Der Impuls dafür kam aus Großbritannien, wo die Wachstumsdaten besser als erwartet ausgefallen sind und die Gilt-Renditen hochgetrieben haben. Nicht zuletzt haben sich auch die Bankaktien erholt - sie gelten als Indikator für Deflationsrisiken. Ist damit die seit Jahren periodisch diskutierte Trendwende eingeläutet? Stehen Inhaber von Bonds nun vor einem neuen Zeitabschnitt mit über einen womöglich langen Zeitraum hinweg fallenden Kursen und erheblichen Verlustrisiken? Oder werden die Anleihenkurse weiter leicht steigen oder gegebenenfalls auf hohem Niveau verharren und einige Notenbanken sich als permanente Käufer entpuppen?
Auch für diese Sicht gibt es gute Argumente. Die schwedische Reichsbank hat am Donnerstag eine weitere quantitative Lockerung nicht ausgeschlossen und erklärt, die Zinsen nicht vor 2018 erhöhen zu wollen. EZB-Direktor Benoît Coeuré sagte am Freitag, die Grenzen, wie tief die Zinsen gehen könnten, lägen tiefer als derzeit der Einlagensatz (-0,4%).
Inflation zieht an
Nach wie vor bewegen sich substanzielle Teile der Renditen in Staatsanleihenmärkten entwickelter Industrienationen im Negativbereich. Auch liegen die Inflationserwartungen in den USA und in Europa weiter auf niedrigem Niveau (siehe Chart), obwohl sie zuletzt gestiegen sind. In Deutschland stieg die Teuerungsrate im Oktober gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex nach vorläufigen Angaben um 0,7%, so viel wie seit zwei Jahren nicht mehr - was vor allem auf den Anstieg der Ölpreise zurückzuführen ist. Wer wird recht behalten: Jene Anleger, die darauf setzen, dass Inflation wieder eine wichtige Rolle spielen wird, oder jene, die dies nicht glauben? Jene, die darauf wetten, dass die Notenbanken die quantitative Lockerung zurückfahren und die Zinsen wieder anheben werden, und deswegen auf zyklische Unternehmen und Finanzwerte setzen, oder jene, die meinen, dass auch in den nächsten Jahren alles prima bleibt - es Wachstum mit kaum Inflation geben wird?
Welche Auswirkungen die Notenbankpolitik auf die Verteilung von Kredit und Verschuldung im Finanzsystem haben wird, dürfte erst so richtig in einigen Jahren sichtbar werden. Auch, ob es neue Modelle braucht, um bisher nicht verstandene Effekte aus dem Zusammenspiel von technologischem Fortschritt, alternder Bevölkerung und gestiegener Vernetzung der Märkte zu verstehen. Das bedeutet auch zu hinterfragen, wie stark die Weltwirtschaft weiter zulegen kann.
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Diese triviale Erkenntnis weist auf ein Dilemma hin, in dem sich Investoren stets wiederfinden. Welche Erwartungen sind angemessen? Eine Orientierung fällt heute aber schwerer als früher. Folgt man den Worten von Klaus Regling, Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), wächst die Eurozone derzeit - trotz Risiken, die dabei nicht unerwähnt bleiben - ziemlich dynamisch. Die Wachstumsrate liege über dem Potenzialwachstum, die Output-Lücke schließe sich, heißt es. Ja, das Pro-Kopf-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liege in etwa wieder auf der Höhe des US-Wachstums. Und dies bis dato auch noch mit wenig Inflation. Gibt es dafür eigentlich einen Ausdruck: Wachstum ohne Inflation? Wird dies die Normalität der nächsten Jahre sein? Ist einfach alles prima?
Verfestigtes Denkmuster
Nach der Mean-Reversion-Theorie müsste aber die Inflation nach einer Phase der Deflation oder Disinflation irgendeinmal zurückkehren. Die Anleihenmärkte würden nach Jahrzehnten der Hausse eines Tages einfach einmal eine Wende einlegen. Auch der Bad Homburger Vermögensberater Feri meint, im Markt sei ein "verfestigtes Denkmuster einer deflationären Welt", und warnt von einem "blinden Fleck an den Rentenmärkten", was Risiken für eine Kurskorrektur betreffe.
Befürworter dieser These werden sich dieser Tage bestätigt sehen. Weltweit steigen die Renditen an den Staatsanleihemärkten. Die Bundesanleihen könnten im Oktober - noch steht der letzte Handelstag aus - gar die schlechteste Monatsperformance seit dem Jahr 2013 eingefahren haben. Zu Wochenschluss lagen auch für fünfjährige Laufzeiten die Renditen wieder über dem Einlagensatz von -0,4% der Europäischen Zentralbank (EZB), das heißt, diese Papiere können im Rahmen des Anleihekaufprogramms wieder erworben werden. Der Impuls dafür kam aus Großbritannien, wo die Wachstumsdaten besser als erwartet ausgefallen sind und die Gilt-Renditen hochgetrieben haben. Nicht zuletzt haben sich auch die Bankaktien erholt - sie gelten als Indikator für Deflationsrisiken. Ist damit die seit Jahren periodisch diskutierte Trendwende eingeläutet? Stehen Inhaber von Bonds nun vor einem neuen Zeitabschnitt mit über einen womöglich langen Zeitraum hinweg fallenden Kursen und erheblichen Verlustrisiken? Oder werden die Anleihenkurse weiter leicht steigen oder gegebenenfalls auf hohem Niveau verharren und einige Notenbanken sich als permanente Käufer entpuppen?
Auch für diese Sicht gibt es gute Argumente. Die schwedische Reichsbank hat am Donnerstag eine weitere quantitative Lockerung nicht ausgeschlossen und erklärt, die Zinsen nicht vor 2018 erhöhen zu wollen. EZB-Direktor Benoît Coeuré sagte am Freitag, die Grenzen, wie tief die Zinsen gehen könnten, lägen tiefer als derzeit der Einlagensatz (-0,4%).
Inflation zieht an
Nach wie vor bewegen sich substanzielle Teile der Renditen in Staatsanleihenmärkten entwickelter Industrienationen im Negativbereich. Auch liegen die Inflationserwartungen in den USA und in Europa weiter auf niedrigem Niveau (siehe Chart), obwohl sie zuletzt gestiegen sind. In Deutschland stieg die Teuerungsrate im Oktober gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex nach vorläufigen Angaben um 0,7%, so viel wie seit zwei Jahren nicht mehr - was vor allem auf den Anstieg der Ölpreise zurückzuführen ist. Wer wird recht behalten: Jene Anleger, die darauf setzen, dass Inflation wieder eine wichtige Rolle spielen wird, oder jene, die dies nicht glauben? Jene, die darauf wetten, dass die Notenbanken die quantitative Lockerung zurückfahren und die Zinsen wieder anheben werden, und deswegen auf zyklische Unternehmen und Finanzwerte setzen, oder jene, die meinen, dass auch in den nächsten Jahren alles prima bleibt - es Wachstum mit kaum Inflation geben wird?
Welche Auswirkungen die Notenbankpolitik auf die Verteilung von Kredit und Verschuldung im Finanzsystem haben wird, dürfte erst so richtig in einigen Jahren sichtbar werden. Auch, ob es neue Modelle braucht, um bisher nicht verstandene Effekte aus dem Zusammenspiel von technologischem Fortschritt, alternder Bevölkerung und gestiegener Vernetzung der Märkte zu verstehen. Das bedeutet auch zu hinterfragen, wie stark die Weltwirtschaft weiter zulegen kann.
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