Bielefeld (ots) - »Cumhuriyet«, gesprochen: Tshumm-vur-i-hätt, heißt auf Deutsch »Republik«. Dieser wunderbare 92 Jahre alte Zeitungstitel ist der letzte Dorn im Auge des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er will sich seine großtürkischen Visionen durch nichts eintrüben lassen. Nach der Schließung von 165 Zeitungsredaktionen, Radio- und TV-Stationen erstickt der Pascha jetzt auch das international beachtete Aushängeschild einst freier Berichterstattung in der Türkei. Der Gegenputsch von oben nach einem angeblichen Angriff der Gülen-Bewegung von innen hat 110.000 Bedienstete hinter Gittern gebracht. Die kommende Abstimmung über die Einführung der Todesstrafe ist nur noch eine Formsache. Dann hat Erdogan es geschafft. Die Pressefreiheit ist tot, die Demokratie missbraucht, die Gewaltenteilung ausgehebelt und eine Präsidialdiktatur auf Lebenszeit nicht mehr aufzuhalten. Was Bundespräsident Joachim Gauck noch in Frageform formuliert, ist längst Fakt: Diese Politik ist die endgültige Abkehr vom Weg in Richtung Europa. Deutschland kann den Flüchtlingsdeal abhaken und die EU ihre Akten über Beitrittsgespräche ins Archiv räumen. Vor allem aber muss das große Geschichtsbuch über demokratisch gewählte Herrscher, die sich einen Staat unter den Nagel reißen, um ein unrühmliches Kapitel ergänzt werden. Es sind eben nicht nur afrikanische Kleptokraten wie ein Robert Mugabe in Simbabwe oder einstige Revolutionsführer wie Daniel Ortega in Nicaragua, die sich Land und Volk zur Beute machen. Es ist nach Russlands Wladimir Putin jetzt auch der türkische Präsident, der die Staatsverfassung mit Füßen tritt und gewählte Abgeordnete kriminalisiert. Für Kritiker gibt es Knüppel, an Außenpolitik herrscht kein Interesse im Staate Erdogan. Denn nach innen braucht er überhöhten Nationalismus, Stolz und Opferlegenden zur Stabilisierung des Ganzen. Deshalb beschuldigt Erdogan Deutschland, es fördere Terrorismus und drangsaliere türkische Staatsbürger. Sein Ministerpräsident und AKP-Chef Binali Yildirim dröhnt: »Ihr habt uns nichts über Pressefreiheit beizubringen.« Die Bundesregierung steht dem relativ hilflos gegenüber, weil sie de facto Ankara nicht bremsen kann, vor allem aber auch, weil sie gar nicht gemeint ist. All diese Kraftsprüche sind nach innen gerichtet, ganz egal wie viel außenpolitisches Porzellan dabei zerschlagen wird. Die westlichen Staaten können nur noch ohne die Türkei planen. Das heißt, jenseits aller Diplomatie finden Trennung und Abschottung statt. Wir können uns auf mehr politische Flüchtlinge aus dem Reich Erdogans einstellen und müssen die Frage stellen, ob die Türkei wirklich noch ein sicheres Drittland ist.
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