Bielefeld (ots) - Masar-i-Scharif ist die sicherste Stadt Afghanistans und die Deutschen sind die Guten. Das sind zwei von vielen Illusionen, von denen wir uns schnell verabschieden sollten. Ein Sturmangriff nicht auf, sondern in das deutsche Konsulat in einer Großstadt mit 270.000 Einwohnern zeigt, was Sache ist. Afghanische Militärs schaffen es nicht, ihr Land allein zu stabilisieren. Wer im Bundestag bei der im Dezember anstehenden Mandatsverlängerung weiter das Trugbild vom geregelten Übergang pflegt, macht sich etwas vor. Erstmals gibt es keine Winterpause am Hindukusch. Seit Oktober sind fünf Selbstmordkommandos in Großstädte eingefallen, um blutige Zeichen zu setzen. Auch Bodenkämpfe und Luftangriffe seitens der Amerikaner haben wieder zugenommen. Obamas Versuch der Zurückhaltung ist auch auf diesem Kriegsschauplatz gescheitert. Die Ausbildung von möglichst vielen einheimischen Soldaten und Polizisten zu hoffentlich treuen Staatsdienern liefert vorzeigbare Zahlen, aber nicht ebensolche Ergebnisse. Selbst die lobenswerte Aus- und Fortbildung von 250.000 Lehrern wird Deutschland nicht gedankt. Fast jeder Versuch der Lockerung und Förderung einer Bürgergesellschaft erleidet Rückschläge. Nein, Afghanistan bleibt ein Unruheherd, dem offenbar nur mit Waffengewalt beizukommen ist. Lassen wir uns nicht auf die Taliban-Logik ein, die Attacke von Masar-i-Scharif sei eine - irgendwie zu rechtfertigende - Antwort auf einen früheren Angriff. Der Terror sucht sich immer die schwächste und spektakulärste Stelle zum blindwütigen Morden. Den Tätern geht es um Aufmerksamkeit, Verunsicherung und Zerstörung, nicht um Aufbau. Wenn dann noch womöglich unbeteiligte Motorradfahrer von Deutschen erschossen werden, geht das Konzept der Extremisten voll auf. 15 Jahre nach dem 11. September, der Vertreibung der Taliban und dem Beginn eines gigantischen Hilfseinsatzes ist von Nationenbildung wenig zu spüren. Behördenchaos, Korruption, Stammeslinien und die Erpressung von Familienangehörigen unterlaufen den Aufbau eines funktionsfähigen Staates. Aus dieser Gemengelage heraus erwachsen Sicherheitslücken. Nur so kommen die gewaltigen Mengen an Sprengstoff zusammen, mit denen aus einem Kohlelaster eine rollende Bombe wird. Machen wir uns nichts vor, wenn jetzt alle ausländischen Truppen abzögen, bräche die Regierung in Kabul in sich zusammen. Afghanistan wäre wieder eine Ansammlung von Talschaften, in denen lokale Gewaltherrscher das Sagen haben. Vor diesem Dilemma steht die gesamte westliche Welt. Alle wollen helfen, aber keiner weiß wie. Schlimmer noch, es gibt kein Zurück.
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