Wenn Sie es mit einer Seitwärtsbewegung zu tun haben, können Sie diese auf verschiedene Weise gewinnbringend nutzen. Einerseits können Sie den Ausbruch aus der Range mit einer Long- bzw. Short-Position (je nach Ausbruchsrichtung) begleiten. Andererseits gibt es die Variante, immer wieder auf die Fortsetzung der Seitwärtstendenz setzen, indem Sie am oberen Ende der Range eine Short- und/oder am unteren Ende eine Long-Position eingehen.
Dabei kann man sich zuvor anhand der Analyse fundamentaler Daten eine Meinung darüber bilden, welche Kursrichtung der jeweilige Basiswert zukünftig wohl am ehesten einschlagen wird. Dadurch kann die Performance deutlich verbessert werden.
EUR/USD steht am unteren Ende seiner Seitwärtsrange
Dazu ein aktuelles Beispiel: In der gestrigen Ausgabe der Börse-Intern konnten Sie bereits dem EUR/USD-Chart entnehmen, dass sich der Wechselkurs derzeit am unteren Ende seiner seit Anfang 2015 laufenden Seitwärtsrange von rund 1,05 bis 1,15 USD befindet.
Hier empfiehlt es sich, eine Long-Position einzugehen, wenn Sie auf eine Fortsetzung der Seitwärtsrange und entsprechend wieder steigenden Kursen in Richtung 1,15 USD setzen möchten. Den Stopp sollte man in diesem Fall unter die Seitwärtsrange legen, um im Falle eines Ausbruchs den Long-Trade zu beenden und gegebenenfalls im direkten Gegenzug in einen Short-Trade zu wechseln.
Fortsetzung, Ausbruch, Fehlsignal?
Allerdings wissen Sie aus vorangegangenen Analysen der Börse-Intern, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Fehlsignalen erhöht, je länger eine Seitwärtsbewegung läuft. Es könnte also sein, dass der EUR/USD aus der Seitwärtsrange herausfällt, nur um dann doch wieder in Richtung 1,15 USD zu steigen. In diesem Fall würde man aus der Long-Position ausgestoppt und einen Verlust erleiden. Anschließend würde man aufgrund des Ausbruchs aus der Seitwärtsrange in einen Short-Trade einsteigen, der dann mit der Bärenfalle ebenfalls einen Verlust liefert.
Das ist im Moment alles sehr hypothetisch. Es zeigt aber, dass im EUR/USD charttechnisch viel passieren kann und man mit allem rechnen muss. Es finden sich sicherlich diverse Charttechniker, die einen baldigen Bruch der Range erwarten. Es gibt aber wahrscheinlich genauso viele Chartanalysten, die eine Fortsetzung der Range sehen. Bei den Analysten, die sich nach den Fundamentaldaten richten, dürfte es ähnlich aussehen.
Argumente gegen den Euro und für den US-Dollar
Schauen wir uns deren Argumente einmal an: Die US-Wirtschaft wächst deutlich schneller als die der Euro-Länder. Das BIP der Eurozone legte im dritten Quartal auf Jahressicht um 1,6 Prozent, die US-Wirtschaft im selben Zeitraum um deutlich stärkere 3,2 Prozent zu. Zudem dürfte die US-Notenbank Fed noch in diesem Monat eine Zinserhöhung beschließen, während man erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag nächster Woche eine Verlängerung ihrer Anleihenkäufe verkündet. Damit spricht eigentlich alles gegen den Euro und für den US-Dollar.
Doch an der Börse wird die Zukunft gehandelt. Erwartungen und bekannte Fakten sind meist schon längst in den Kursen eingepreist. Und daher ist der EUR/USD auch bereits vom oberen Ende seiner Seitwärtsrange bis an das untere Ende gefallen.
Prognose einer Seitwärtsrange von 1,05 bis 1,15 USD
Bereits seit Mai 2015 schreiben wir im "Target-Trend-Spezial" (und wenig später auch in der Börse-Intern, siehe zum Beispiel Ausgabe vom 31. März 2016), dass der EUR/USD-Wechselkurs in einer Range von 1,15 bis 1,05 US-Dollar bleiben könnte. "Denn längst haben die Märkte eingepreist, dass die Fed ihre Geldpolitik vorsichtig strafft (erste Leitzinserhöhung am 16. Dezember 2015), während die EZB an ihrer lockeren Geldpolitik mindestens bis weit in das Jahr 2017 festhalten will", hieß es regelmäßig zu den EUR/USD-Analysen.
Und weiter: "Eine größere Seitwärtsbewegung ist auch deshalb plausibel, weil sich einerseits die europäische Wirtschaft langsam aber sicher erholt und dies den Euro stützt, aber andererseits im Abstand von einigen Monaten weitere Leitzinserhöhungen der Fed im Raum stehen, was positiv für den US-Dollar ist. Anzeichen weiterer Leitzinserhöhungen und positive Nachrichten zur Wirtschaft in der Eurozone könnten sich abwechseln und den Wechselkurs daher in der erwarteten Seitwärtsbewegung halten. Zudem beflügelt ein fallender Euro über die Exporte die europäische Wirtschaft, was dann den Euro wieder ein wenig nach oben treibt." An dieser Einschätzung, die sich mit Blick auf den Chart oben längst als treffend herausgestellt hat und nun schon fast 1,5 Jahre lang gültig ist (gelbes Rechteck), kann man auch heute noch festhalten.
EZB kommt ihren Zielen immer näher
Zumal die EZB mit ihrer Geldpolitik immer weiter ans Ziel kommt. So wurde heute gemeldet, dass die Arbeitslosenquote im Euroraum im Oktober auf 9,8 Prozent gesunken ist. Sie erreichte damit das niedrigste Niveau seit Juli 2009.
(Quelle: Eurostat)
Und was die Inflation in der Eurozone angeht, so wurde gestern ein weiterer Anstieg gemeldet. Nach einer ersten Schätzung sind die Verbraucherpreise im November im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 Prozent gestiegen, nach +0,5 Prozent im Oktober. Das ist der höchste Wert seit April 2014.
(Quelle: Eurostat)
Zwar liegt die Inflation damit noch deutlich unter der Zielrate der EZB von 2,0 Prozent, doch der belastende Effekt der gesunkenen Ölpreise lässt immer weiter nach (siehe auch Börse-Intern vom 5. Oktober 2016). Und durch den aktuellen Beschluss der OPEC (siehe gestrigen Ausgabe der Börse-Intern) dürfte die anhaltende Erholung der Energiepreise die Inflation weiter treiben. Die EZB braucht also quasi nur noch abwarten, bis ihr Ziel erreicht ist.
Expansive Maßnahme oder Einstieg in den Ausstieg?
Wenn die EZB in der kommenden Woche beschließt, ihr Anleihenkaufprogramm zwar um sechs Monate zu verlängern, das Volumen jedoch um 10 Mrd. Euro pro Monat zu verringern - wie es viele Marktteilnehmer erwarten - dann wäre dies aus meiner Sicht nicht als weitere expansive Maßnahme zu werten, sondern als Einstieg in den Ausstieg. Und damit würde die EZB der US-Notenbank zeitversetzt folgen. Und das wäre bullish für den Euro und damit auch für den EUR/USD-Wechselkurs.
Fazit
Im Mai 2015 haben wir eine Seitwärtsbewegung im EUR/USD zwischen 1,05 und 1,15 USD vorausgesagt. Bis heute hat sich der Wechselkurs daran gehalten. Im Hinblick auf das Referendum in Italien muss man zwar inzwischen leicht skeptischer sein als in den 1,5 Jahren zuvor, doch von einem Absturz der Währung weit unter die Parität zum US-Dollar gehe ich aktuell nicht aus. Denn es dürfte mit dem Erreichen der 1,05er Marke schon einiges im Wechselkurs eingepreist sein. Und so könnte ein bearisher Ausbruch aus der Seitwärtsrange, sofern er überhaupt kommt, tatsächlich nur kurzfristiger Natur sein. In diesem Fall könnte die oben beispielhaft dargestellte Bärenfalle Realität werden.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus