Cottbus (ots) - Drohen im EU-Land Polen ukrainische Verhältnisse? Nicht wenige Kommentatoren fühlen sich angesichts der Bilder aus Warschau an die Maidan-Revolution in Kiew vor drei Jahren erinnert. Tausende Menschen mit Nationalflaggen und EU-Fahnen demonstrieren vor dem Parlament. Martialisch ausgerüstete Sicherheitskräfte bilden Schutzketten. Es kommt zu kleineren Scharmützeln. Eine Tränengasgranate explodiert. Regierungsvertreter sprechen von Terror und Rowdytum. Genau so fing in Kiew im Winter 2013/14 alles an. Am Ende schossen Scharfschützen auf Demonstranten. Aber gemach! Warschau ist nicht Kiew. Die Vergleiche hinken. Polens postkommunistische Demokratie hat eine 27-jährige Erfolgsgeschichte hinter sich. Auch droht, anders als in der Ukraine, keine russische Intervention. Nicht zuletzt ist die EU-Mitgliedschaft, bei aller Zahnlosigkeit der Brüsseler Papiertiger, ein wichtiger Bremsmechanismus für das Machtstreben autoritärer Herrscher. Nein, Polen ist mit anderen Maßstäben zu messen als die Ukraine oder auch die Türkei. Die rechtsnationale PiS-Regierung testet seit ihrem Amtsantritt schlicht und ergreifend aus, wie weit sie mit ihrem Machtausbau und ihrer Art der Politikgestaltung gehen kann. Das zeigte sich eindrücklich im Herbst beim Streit um ein totales Abtreibungsverbot. Erst als die Proteste von Frauen das Land zu lähmen drohten, stoppte die PiS die Gesetzesinitiative sofort. Bei der skandalösen Einschränkung der Pressefreiheit im Sejm geht es allerdings um noch mehr. Das Parlament ist die Herzkammer jeder Demokratie, auch wenn das in Zeiten medial vermittelter Talkshow-Politik mitunter in Vergessenheit gerät. Im Parlament kommen die Vertreter des Volkes zusammen und ringen in Rede und Gegenrede um Entscheidungen. Das mag ein idealtypisches Bild sein, aber Öffentlichkeit und Transparenz sind in jedem Fall unabdingbar. Sie sind auch unabdingbar für eine effektive Kontrolle der Herrschenden. Gerade dieser Kontrolle aber will sich die PiS-Regierung entziehen. Zu diesem Zweck hat die Exekutive bereits das Verfassungsgericht blockiert und die Judikative unter ihre Kontrolle gebracht. Der Angriff auf die Parlamentskorrespondenten zielt nicht nur auf die Vierte Gewalt, die Medien, sondern auch auf die Legislative. Es ist ein Angriff auf die Demokratie selbst.
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