Bielefeld (ots) - Auch wenn Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) gestern erklärte, die Beteiligung des gesuchten Tunesiers Anis Amri an dem Terroranschlag von Berlin sei noch nicht geklärt - für die Sicherheitsbehörden ist er der Top-Verdächtige. »Es besteht der dringende Verdacht, dass er mit dem Anschlag in direkter Verbindung steht«, heißt es in der polizeiinternen Fahndungsmeldung. Und: Wenn Polizisten ihn anträfen, sollten sie nicht zugreifen, sondern auf Spezialkräfte warten. Als 2015 in Hannover ein Fußball-Länderspiel wegen Terrorgefahr abgesagt wurde und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach den konkreten Gründen gefragt wurde, nannte er die nicht, sondern er sagte: »Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.« Heute verunsichern uns die Antworten, die der Minister nicht gibt. Die entscheidenden Fragen an de Maizière und seinen Amtskollegen Jäger lauten: Wie konnte jemand, der als Gefährder eingestuft war, den die Sicherheitsbehörden auf dem Radar hatten, gegen den auf NRW-Initiative hin wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt wurde, dessen Name im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum bekannt war - wie konnte so jemand quasi unter den Augen der Sicherheitsbehörden den zweitschwersten Terroranschlag in der bundesdeutschen Geschichte - nach dem Oktoberfest-Attentat 1980 mit 13 Toten - begehen? Und wie konnte es geschehen, dass dieser offenbar gefährliche abgelehnte Asylbewerber kreuz und quer durch Deutschland reiste? Und warum wurde der Mann nicht dauerhaft observiert, wenn er schon nicht in Abschiebehaft genommen wurde? Wenn schon ein bekannter Gefährder ungehindert zuschlagen kann - was droht uns dann noch von Tätern, die bislang noch niemand auf dem Schirm hat? Angesichts der seit Jahren bekannten Terrorgefahr in Deutschland möchte man auf einen professionellen, schlagkräftigen, umsichtigen Sicherheitsapparat vertrauen. Aber so stellen sich Polizei und Geheimdienste in Deutschland leider nicht immer dar. Dass Anis Amris Brieftasche wohl erst beim Abschleppen des Lastwagens unter dem Fahrersitz entdeckt wurde - schlimm, wenn es so war und die Fahndung so um Stunden verzögert wurde. Aber es war nicht die erste Panne in Sachen Terror. Vor den drei jugendlichen Sikh-Tempel-Attentätern war die Polizei nicht nur von einem Lehrer und einer Mutter gewarnt worden, zwei der Jungen waren sogar im Salafisten-Aussteigerprogramm »Wegweiser« - und trotzdem verhinderten Polizei und Verfassungsschutz den Bombenanschlag nicht. Deutschland ist noch immer eines der sichersten Länder. Dass das so bleibt - daran muss dringend gearbeitet werden.
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