Bremen (ots) - Die Kontroverse um John Kerrys Kritik an der Siedlungspolitik ist das Ausrufezeichen hinter acht schwierigen Jahren im Verhältnis zwischen Israel und den USA. Sie kann aber auch als Fanal für eine dramatische Kurswende verstanden werden, vor deren Konsequenzen der scheidende US-Außenminister eindringlich warnen wollte. Auf dem Spiel steht nicht weniger als die Zukunft der Zweistaaten-Lösung selbst, an deren Durchsetzung der unermüdliche Kerry gescheitert war. Nun verschaffte er seinem Frust über die mangelnde Kompromissbereitschaft der israelischen Likud-Regierung öffentlich Luft. Sein Fazit: Die Siedlungspolitik Benjamin Netanyahus mache es praktisch unmöglich, zwei lebensfähige Staaten zu schaffen. Eine Annexion des Westjordanlandes stellte Israel vor die Wahl, entweder jüdisch oder demokratisch zu sein. Die Fakten sind klar. Ein Anschluss der besetzten Gebiete bedeutete ein Anwachsen der arabischen Bevölkerung in Israel von 1,7 Millionen Menschen auf 6,3 Millionen. Damit bestünde in einem Groß-Israel schon heute ein Gleichgewicht zwischen Juden und Arabern. Dank der höheren Geburtenrate würde es aber auch ohne den Anschluss des Gaza-Streifens nur wenige Jahre dauern, bis die Palästinenser in Israel die Mehrheit stellten. Nur eine Verweigerung der vollen Bürgerrechte könnte politische Konsequenzen aus den demografischen Trends verhindern. Doch genau darauf scheint die israelische Rechte hinzuarbeiten und versucht, Donald Trump dabei zu ihrem Verbündeten zu machen. "Bleib stark Israel", schaltete sich der künftige US-Präsident via Twitter in die Kerry-Kontroverse ein. "Der 20. Januar kommt in großen Schritten näher." Aus Sicht Netanyahus geht das Kalkül bisher auf. Trump hat mit David M. Friedman einen orthodoxen Juden zum Botschafter in Israel nominiert, der die Idee einer Zweistaaten-Lösung ablehnt. Im Gespräch für das Amt des US-Vizeaußenministers ist John Bolton, der in einem Meinungsbeitrag für das Wall Street Journal ins selbe Horn stieß. Darin entfaltete Bolton die Vision der Rechten in Israel, die mit einer Annexion des Westjordanlandes liebäugelt. Ginge es nach den extremen Vertretern der Netanyahu-Koalition würden die Palästinenser aus den angeschlossenen Gebieten nach Jordanien gedrängt und der Gaza-Streifen von Ägypten kontrolliert. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Kerry-Rede, wie die New York Times so treffend schreibt, als "Requiem für die Zweistaaten-Lösung" interpretieren. Eine Sorge, die Israel-Kenner wie der renommierte Kolumnist Thomas Friedman teilen. Er warnt den künftigen US-Präsidenten davor, sich von Netanyahu vor den Karren spannen zu lassen. Eines Tages werde Trump aufwachen und entdecken, wie er an der Seite Netanyahus zum Mitbegründer eines Israels geworden sei, das nicht länger jüdisch oder nicht mehr demokratisch ist.
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