Bielefeld (ots) - Das neue Jahr beginnt, wie das alte aufgehört hat: mit Terror. Wieder trifft es die Türkei. Und vieles spricht für eine Täterschaft mit Bezug zum »Islamischen Staat« (IS). Zuletzt verzichteten die sunnitischen Dschihadisten darauf, sich zu Anschlägen in der Türkei zu bekennen. Der Grund ist einleuchtend: Weil der Staat vom Terror verschiedener Gruppen bedroht ist, müssen die Behörden in alle Richtungen ermitteln und brauchen Zeit und Personal; das gibt Attentätern mehr Zeit zur Flucht. Nach der Rückeroberung Aleppos durch russisches und iranisches Militär für das Assad-Regime hat sich auch die Türkei zur Siegermacht in Syrien erklärt. Ankara handelte mit den Rebellen die Voraussetzungen für eine Waffenruhe aus, die den IS ausdrücklich ausschließt. Das fordert alte Feinde heraus und schafft neue - und erhöht die Terrorgefahr im eigenen Land weiter. Der erste Anschlag, der sich direkt auf die türkische Syrienpolitik bezog, war das Attentat auf den russischen Botschafter in Ankara am 19. Dezember. Der Schütze der tödlichen Kugeln hatte »Rache für Aleppo« gerufen - und traf nicht nur einen Vertreter Russlands, das in Aleppo für viele Tote verantwortlich ist. Er traf auch Erdogan, der sich in Syrien auf einen überaus riskanten Deal eingelassen hat. Das Risiko liegt darin, dass der Iran und Russland in Syrien andere Interessen verfolgen und mehr Möglichkeiten haben als die Türkei. Erdogan hat sein Ziel, Assad zu stürzen, vorerst aufgegeben. Ihm geht es nur darum, die Kurden in Syrien zu schwächen. Die Türkei hat offensichtlich freie Hand, den Korridor zwischen ihrer Grenze und den kurdischen Gebieten auf syrischem Areal zu kontrollieren. Die Absicht ist klar: Erdogan will eine autonome Kurdenregion verhindern, die Begehrlichkeiten in Form sezessionistischer Bewegungen auf türkischem Staatsgebiet wecken würde. Vor allem deswegen mischt die Türkei in Syrien und beim Kampf gegen den IS auch im Irak mit. Denn wenn der IS am Ende von kurdischen Kämpfern besiegt werden sollte, dann könnte die Welt den Kurden ein eigenes Staatsgebiet kaum verweigern. Das ist der Albtraum, der Erdogan antreibt. Darum muss seine Armee dabei sein, wenn die letzte IS-Hochburg Mossul fallen sollte. Dafür spaltet Erdogan nicht nur die Gesellschaft, er macht die Türkei auch zur Zielscheibe des Terrors von kurdischer und islamistischer Seite - Kollateralschäden wie hunderte Menschenleben im vorigen Jahr inbegriffen. Der Anschlag auf die Besucher des Clubs Reina in Istanbul wird nicht der letzte dieser Art in der Türkei gewesen sein. Es wird Zeit, dass sich das Auswärtige Amt endlich zu einer Reisewarnung für die Türkei durchringt.
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