Hagen (ots) - Sigmar Gabriel ist ehrgeizig - aber nicht naiv. Nur Vize zu sein, nur die zweite Geige zu spielen, das ist nicht sein Ding. Deshalb hat er schon vor zehn Jahren im kleinen Kreis sein Berufsziel verraten: Bundeskanzler. Doch dem Niedersachen ist bewusst, dass er im September bei der Bundestagswahl so gut wie keine Chance hat. In allen Umfragen dümpelt die SPD aktuell bei etwa 20 Prozent, und der Großteil der Bevölkerung billigt - bei aller Kritik - Angela Merkel noch immer die größte Problemlösungskompetenz zu. Gabriel und die Sozialdemokraten wissen: Wer jetzt gegen Merkel antritt, belastet den Fortgang seiner politischen Karriere mit einem Makel: Wer möchte schon gern ein Verlierer sein? Die SPD muss planen für die Zeit nach Merkel; sie muss sich auch personell neu formieren, um wieder Mehrheiten für sich gewinnen zu können. Vielleicht spürt Gabriel, dass dieser Prozess mit ihm nicht gelingen kann. Vielleicht will er sich sogar opfern für die Partei, weil er einsieht, dass Fakten seinem Ehrgeiz Grenzen setzen. Sigmar Gabriel wird demnächst zum zweiten Mal Vater. Kann gut sein, dass er nach der Niederlage im Herbst kürzer treten wird, um Bücher zu schreiben, Kinder zu erziehen und zuhause die erste Geige zu spielen. Für ihn selbst muss das nicht schlecht sein - und für die SPD auch nicht.
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