Bielefeld (ots) - Die erste Woche mit US-Präsident Trump hat in der EU den Schulterschluss-Effekt verstärkt, der sich schon nach dem Brexit-Votum der Briten eingestellt hatte: Noch vor dem Amtsantritt hatte Trump aus seiner Verachtung für das europäische Projekt keinen Hehl gemacht. Der Brexit sei eine tolle Sache, der Abgang weiterer Mitgliedstaaten eine Frage der Zeit. So etwas weckt das Bedürfnis, dem ahnungslosen Herrn im Weißen Haus das Gegenteil zu beweisen. Trump hat keine Gelegenheit ausgelassen, die Europäer vors Schienbein zu treten. Er empfing das Brexit-Großmaul Nigel Farage, konnte sich nicht an den Namen des "angenehmen Herrn" erinnern, mit dem er telefoniert hatte (Gipfel-Präsident Donald Tusk). Jetzt empfing er als ersten EU-Regenten Theresa May, Premierministerin des EU-Separatisten Großbritannien. Sorgfältiger kann man der EU kaum hinreiben, was man von ihr hält: nichts. Im Kreise der 27 anderen Mitgliedstaaten hat das den Korpsgeist belebt. Auf den Sitzungen der Brüsseler Gremien herrscht Fassungslosigkeit über den Twitter- und Dekrete-Unsinn in den USA. Von wegen "westliche Führungsmacht" - selbst bei notorischen EU-Quertreibern wie Ungarn oder Polen stößt Trumps Ermunterung, dem britischen Beispiel zu folgen, nicht auf Resonanz. Vielmehr gibt es die Hoffnung, Trump sei, wie der Brüsseler EU-Guru Giles Merritt schreibt, "ein Geschenk an Europas verstörte und zerstrittene politische Führungsfiguren, der Kitt, den Europa seit einem Jahrzehnt entbehrt". Die Chance besteht, mit Hilfe Trumps Ignoranz genauer zu klären, wofür man selber steht. Seine Borniertheit bei Klimaschutz, Freihandel, Menschenrechten, sein Unverständnis für Völkerrecht und internationale Kooperation stehen im Gegensatz zu den Prinzipien der Europäer. Doch wäre es verfrüht, Trump zur Schubkraft der europäischen Einigung auszurufen. Zu sehr sind die Werte auch in der EU umstritten. Ungarns Premier Orbán sieht im lauten Bruder in Washington nicht nur den gefährlichen Irrläufer. Sondern auch den Kronzeugen dafür, dass die Zukunft im egoistischen Nationalismus liege. Für Deutschland und die Partner, die es anders sehen, sollte der schreckliche Mister Trump eine Ermutigung sein, den Weg in die Gegenrichtung entschlossener zu beschreiten.
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