Die ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, sieht angesichts zunehmend rechtspopulistischer Haltungen keine grundsätzlichen Unterschiede mehr zwischen Ost- und Westdeutschland. "Meinungsforscher stellen nach wie vor Unterschiede fest", sagte sie der "Mitteldeutschen Zeitung" (Onlineausgabe).
"Im Osten verfangen populistische Parolen stärker, Sicherheit zählt mehr als Freiheit, Vielfalt wird als bedrohlich erlebt. Aber Vorsicht - das gibt es alles im Westen auch, der Unterschied ist nicht prinzipiell, sondern graduell." Die bestehenden Unterschiede hätten mit der ostdeutschen Geschichte und der Prägung durch den Nationalsozialismus und die DDR zu tun. Birthler warnte zugleich, dass "die weitverbreitete Abneigung gegen den Westen in letzter Zeit eine andere Richtung genommen" habe.
"Jetzt sind es vor allem Regierungen, Parlamente und Medien, die die Wut auf sich ziehen. Das ist gefährlich." Die Fähigkeit, auf "zivile Art" mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen, sei Grundlage eines friedlichen Gemeinwesens und der Demokratie überhaupt. "Wenn Menschen dazu nicht in der Lage sind, schäumt diese unkontrollierte Wut hoch, die uns zu Recht abstößt und Sorgen bereitet. Das ist eine ganz traurige Art von sozialer und kultureller Verwahrlosung."
Rechtspopulisten könnten sich heute nicht auf die Parolen der DDR-Bürgerrechtsbewegung berufen, so Birthler. "Wenn Menschen Politiker als 'Volksverräter' beschimpfen und Journalisten als 'Lügenpresse', dann ist das für mich das Gegenteil von dem, was 1989 der Ruf 'Wir sind das Volk' meinte", erklärte sie.