Regensburg (ots) - Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Dieses augenzwinkernde Bonmot trifft in etwa den jetzigen Zustand der Union. Mit der Nominierung des "Mister Gerechtigkeit" Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat hatte man weder in der CDU- noch in der CSU-Zentrale gerechnet. Merkel, Seehofer und Co. wäre zweifellos lieber gewesen, der Noch-SPD-Chef Sigmar Gabriel wäre angetreten und hätte ehrenvoll gegen die Kanzlerin verloren. Vielleicht hätte man der lange Zeit zutiefst frustrierten und gedemütigten SPD dann noch mal eine Regierungskoalition angeboten. Eine von Merkels Gnaden. Nicht nur die überraschende Personalie der SPD hat man in der Union falsch eingeschätzt. Es herrscht auch weitgehend Ratlosigkeit, wie man Schulz den Wind aus den Segeln nehmen kann. Nur langsam dämmert den Unionsspitzen, dass sie den populären Versprechungen des SPD-Kanzlerkandidaten etwas Substanzielles entgegen halten müssen. Aber das können Merkel und Seehofer derzeit nicht. Die Union steckt in der Schulz-Falle. Die ersten Reaktionen aus CDU und CSU auf Schulz' Nominierung waren dann auch mehr Schnappatmung, denn ein wirkliches Anti-Schulz-Programm. Die beiden Generalsekretäre der Unionsparteien wetterten gegen die "Rolle rückwärts" von Schulz, der die Agenda 2010 zertrümmern will. Angela Merkel rief gebetsmühlenhaft zum Festhalten an den Arbeitsmarktreformen von vor 13, 14 Jahren auf, was weder besonders originell, noch zugkräftig ist. Oder Finanzminister Wolfgang Schäuble wiederholte zum x-ten Male die alte Leier: "Den Deutschen geht es so gut wie lange nicht." Das mag ja, betrachtet man die Durchschnittszahlen, tatsächlich so sein. Doch die Menschen leben nicht in Durchschnittswerten, sondern in ganz konkreten Umständen. Und dazu gehört auch der Druck sowie die Furcht vor dem Abstieg, die mit der Agenda 2010 deutlich verstärkt wurden. Dass hinter dem deutschen "Jobwunder" etwa auch Millionen prekäre Arbeitsverhältnisse, lediglich befristete Arbeitsverträge, Zeit- und Leiharbeit sowie Minijobs stecken, wollen CDU und CSU offenbar vergessen machen. Schulz dagegen knüpft genau an dieser Stelle an, legt den Finger in die richtige Wunde, trifft den Nerv vieler Menschen. Auch derer, denen es eigentlich noch gut geht. Doch das könnte sich morgen schon ändern. Soziologen sprechen bereits von einer "prekären Mitte", die eine "Abstiegsgesellschaft" prägten. Nun sollte man nicht jeden Befund von Soziologen auf die Goldwaage legen, doch dass Deutschland trotz hoher Beschäftigung, trotz enormer Steuereinnahmen und brummender Konjunktur eine soziale Schieflage aufweist, ist nicht von der Hand zu weisen. Jungen Leuten etwa fällt es immer schwerer, eine Familie zu gründen und eine vernünftige Wohnung zu finden, wenn sie sich im Job von Befristung zu Befristung hangeln müssen. Auf der anderen Seite streichen Topmanager und Kapitaleigner märchenhafte Einkommen und Gewinne ein, während die kleinen Sparer wegen der Niedrigzinspolitik Geld verlieren. Die Union würde einen Riesenfehler begehen, wenn sie diese Probleme einfach unter den Tisch kehren würde, nur weil sie von Martin Schulz auf die Tagesordnung gesetzt wurden. Der SPD-Kandidat hat noch keine Antworten, sondern nur wohlklingende Verheißungen. Aber auch die Union steht blank da. Ihr Konzept für vernünftige Arbeitsverhältnisse kann doch nicht ernsthaft lauten: Finger weg von der Agenda 2010 und in der Sozialpolitik: her mit mehr Mütterrente, wie es Horst Seehofer immer wieder verlangt. Um Schulz den Weg ins Kanzleramt zu verlegen und um Rot-rot-Grün zu verhindern, muss sich die Union viel mehr einfallen lassen als: Merkel macht's noch mal.
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