Bielefeld (ots) - Ein Gericht ordnet an, dass ein Straftäter auf freien Fuß gesetzt wird - obwohl Psychiater davor warnen. Man könnte fragen, ob Justitia von allen guten Geistern verlassen wurde. Sollte man aber nicht, denn die Lage ist komplexer. Insassen des Maßregelvollzugs sitzen oft länger ein als andere Gefangene - für gleiche Taten. Das hat damit zu tun, dass sie sich einer Therapie unterziehen, die möglicherweise nicht nach sechs oder zehn Jahren, den im Gesetz genannten Fristen, zu Ende ist. Außerdem sitzen sie länger ein, weil die Annahme besteht, dass von ihnen eine Gefahr ausgeht. Denken wir an Triebtäter. So war die Situation viele Jahre. Dann geschahen zwei Dinge. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung im Maßregelvollzug wurde als Verstoß gegen die persönlichen Rechte der Gefangenen angesehen. Und das Bundesverfassungsgericht hat den Spielraum der Erprobung in den Gutachten einkassiert. Nun sollen Gutachter fast hellseherisch vorhersagen, ob es einen Rückfall gibt. Um auf Nummer sicher zu gehen, neigen sie im Zweifel dazu, von einem Risiko zu sprechen. Damit das keine Endlos-Unterbringung in der Forensik zur Folge hat, wurden die Hürden erhöht. Prompt steht das Rechtssystem an einer Sollbruchstelle. Wer hat recht: Medizin oder Justiz? Wessen Rechte wiegen mehr: Die des Täters oder das der Allgemeinheit auf Sicherheit? Deshalb wird sich die Gesetzgebung erneut mit Paragraf 67 des Strafgesetzbuches befassen müssen. Vielleicht müssen die Gefahren genauer definiert werden, die zu weiterer Unterbringung führen dürfen. Vielleicht helfen abgestufte Varianten des Maßregelvollzugs. Einfach wird das nicht.
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