Mainz (ots) - Die Niederlande machen Deutschland vor, wie mit den Wahlkampfauftritten türkischer Minister umzugehen ist. Dies ist die naheliegende, die scheinbar einfache Erkenntnis aus diesem Wochenende. Wer für ein autoritäres Regime wirbt, aber demokratische Regierungen als Nazis und Faschisten beschimpft, missbraucht seine Redefreiheit und muss die Konsequenzen dafür tragen - richtig so. Dennoch kann die Frage, ob auch hierzulande die Auftritte gestoppt werden sollten, nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantwortet werden. Das Problem ist dann doch etwas komplexer, als es die Vereinfacher auf beiden Seiten glauben machen wollen. Vor allem: Wo soll das alles noch hinführen? Abseits der verbalen Ausfälle und Vergeltungsphantasien kann weder der Türkei noch den EU-Ländern an einer weiteren Eskalation gelegen sein. Dazu muss man nicht mal ständig auf das Flüchtlingsabkommen verweisen. Die Türkei ist ein Nato-Partnerland, Millionen Türken leben und arbeiten in Westeuropa, sie sind ein wichtiger Teil der Gesellschaften. Und: Sie sind in ihrer Einstellung zu Erdogan zwiegespalten; der einzige, dem die Absage der Wahlkampfauftritte kurzfristig hilft, ist deshalb der oberste Wahlkämpfer selbst. Erdogan kann sich und seine Türkei als Opfer des bösen Westens inszenieren - und seine abgewiesenen Minister als Märtyrer. Das bringt wichtige, möglicherweise entscheidende Wählerstimmen.
Nach der von Erdogan und seinen Ministern gezielt herbeigeführten Konfrontation mit den Niederlanden - dort ist ebenfalls Wahlkampf, ein Geschenk für Erdogan - ist nun Gelassenheit und Vernunft gefragt, auch wenn dies zunächst als naiver Wunsch erscheinen mag. Dazu gehört die Einsicht, dass die Auftritte türkischer Minister nicht grundsätzlich verboten sind, weil die Meinungsfreiheit eben auch für ausländische Politiker gilt. Aber dass sie, je nach Beurteilung des konkreten Falls, verboten werden können, dies steht außer Frage. Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht gerade ausdrücklich hingewiesen. Im Falle eines solchen Verbots darf sich die Bundesregierung dann auch nicht wegducken, sie muss - genauso wie es die niederländische Regierung getan hat - eine Entscheidung auf oberster Ebene treffen, ob sie einen türkischen Politiker ins Land lassen will oder nicht. Ein Kriterium dabei: Wer Deutschland fortwährend beleidigt, bedroht und die Meinungsfreiheit hierzulande nutzen will, um sie zu Hause in der Türkei abzuschaffen, muss draußen bleiben. Nach diesen Maßstäben hat zumindest Recep Tayyip Erdogan derzeit hier nichts zu suchen.
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