Regensburg (ots) - Ein feste Burg ist unser Gott", heißt das Kirchenlied von Martin Luther, das sich Joachim Gauck zum Abschied aus dem Schloss Bellevue gewünscht hatte. Der einstige Pfarrer aus Rostock wählte das bekannte Musikstück, das zu einer Art Hymne des Protestantismus geworden ist, wohl nicht nur wegen des 500. Jubiläums der Reformation aus, sondern weil sein christlicher Glaube das Fundament seines Lebens ist und dies auch in der fünfjährigen Zeit im höchsten deutschen Staatsamt war. Gauck war in unruhigen Zeiten eine feste Burg. Nach dem unrühmlichen Abgang seiner beiden Vorgänger Horst Köhler und Christian Wulff hat er dem Amt des Bundespräsidenten seine Würde und seine staatstragende Verlässlichkeit zurückgegeben. Er war für die Menschen da, hat ihnen zugehört, hat gemahnt, hat den Finger in Wunden gelegt, hat Mut gemacht. Manchmal hat er allerdings auch übers Ziel hinausgeschossen, wenn er etwa angesichts von Pegida von "Dunkeldeutschland" sprach. Der Bürger Gauck hat das oberste Amt, das in Deutschland allerdings nur protokollarisch an der Spitze des Staates steht, politisch ausgefüllt wie kaum ein anderer vor ihm. Der einstige DDR-Bürgerrechtler hat dabei der Versuchung widerstanden, die politische Klasse, "die da oben", das Establishment, populistisch anzuprangern oder zumindest infrage zu stellen. So hat er sich nie offen mit der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel angelegt. Zugleich jedoch hat er Distanz deutlich gemacht, wenn er es für notwendig und richtig hielt. In der hitzigen Debatte um Flüchtlingsobergrenzen, die monatelang zwischen Merkel und Seehofer geführt wurde, fand Gauck schlichte, aber klare Worte: "Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich." Bei der Münchner Sicherheitkonferenz vor drei Jahren schrieb er den Deutschen ins Stammbuch, sich international mehr zu engagieren, notfalls auch militärisch. Das hat nicht jedem gefallen. Von ganz links bezichtigte man Gauck, ein Kriegstreiber zu sein. Und von ganz rechts wurde er als "Volksverräter" gescholten. Die Schelte von Extremen störten ihn allerdings nicht weiter. Er nahm sie sogar mit einer gewissen diebischen Freude zur Kenntnis. Wer von den Extremen angefeindet wird, der liegt offenbar in der Mitte richtig, mag er sich gedacht haben. Dabei wurde Joachim Gauck eher aus Zufall zum Staatsoberhaupt. Beim ersten Anlauf zur Wahl als Bundespräsident war der Ostdeutsche von SPD und Grünen benannt worden. Angela Merkel, die kurz zuvor Gauck noch als "Lehrer der Demokratie" gelobt hatte, wollte ihn partout verhindern und schickte den unglücklichen Christian Wulff ins Rennen. Der Ausgang ist bekannt. Der Niedersachse strauchelte, weil er privat und dienstlich nicht deutlich genug getrennt hatte. Wie auch immer, plötzlich stand Gauck als unbefleckter Kandidat zur Verfügung, dem sich auch die Union nicht mehr verweigern konnte. Mit seinem Credo, Freiheit bedeutet auch Verantwortung, ist Gauck landauf landab für die Grundwerte unserer Republik eingetreten. Er war, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt, ein guter Botschafter Deutschlands in vielen Ländern der Erde. Manchem mögen die Ansprachen und Reden Gaucks etwas zu pastoral, zu moralisierend vorgekommen sein. Und während der Papst twittert und Facebook für viele Politiker etwas ganz Selbstverständliches ist, ignorierte der nicht uneitle Gauck die sozialen Medien nahezu völlig. Das hat den Zugang zu jungen Menschen erschwert. Nun hat Gauck das Schloss Bellevue verlassen. Die Erwartungen an seinen Nachfolger Frank-Walter Steinmeier sind riesengroß.
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