Regensburg (ots) - Ein Satz von Sigmar Gabriel ging beim gestrigen SPD-Hochamt für Martin Schulz fast unter: Auch der Zorn über Ungerechtigkeit gehöre zur SPD, sagte der ins zweite Glied zurückgetretene Ex-Parteichef. Gabriel hatte die Partei nach der dramatischen Niederlage 2009 übernommen und stabilisiert, was eine große Leistung war. Die traditionsreiche Sozialdemokratie hätte auch auseinanderfallen können, wie das andere sozialdemokratische Parteien in Europa bitter erleben mussten. Da brauchte die SPD einen, der kühlen Kopf bewahrte und langfristig dachte.
Doch Gabriel, der gewiss ein kluger Stratege ist, hatte nie das Herz seiner Partei erobern können. Den Linken war er nicht links genug, dafür zu wirtschaftsfreundlich. Den eher rechten Seeheimern dagegen war er wiederum nicht pragmatisch genug. Gabriels Verdienst ist es jedoch zweifellos, der SPD mit Martin Schulz einen wirklichen Hoffnungsträger mit ernstmals wieder realen Aussichten auf das Kanzleramt beschert zu haben. Bei CDU und CSU ist man nervös bis geschockt. Gegen Gabriel hätte man leicht Wahlkampf führen können. Gegen Schulz, der das verbreitete Gefühl, es gehe in Deutschland ungerecht zu, bedient, wird es die eher rational-kühl agierende Angela Merkel viel schwerer haben, das Kanzleramt zu behaupten. Schulz surft auf einer Welle, die mehr Gerechtigkeit verheißt.
Egal wie das Rennen im September ausgehen wird, bereits nach knapp acht Wochen hat Martin Schulz das Land elektrisiert und politisiert. So oder so. Ältere erinnern sich an die Zeiten Ende der 60, Beginn der 70er Jahre, als "Willy wählen!" ein zugkräftiger Slogan der SPD war. Auch damals waren die Konservativen nicht stark genug, eine Mehrheit dagegen zu gewinnen. Auch damals war die Republik politisiert wie lange nicht. Heute, in Zeiten von sozialen Medien, von Fake News und Postfaktischem, ist es gleichwohl komplizierter Wahlkämpfe zu führen. Es gewinnt vor allem der- oder diejenige, der auch die Gefühle der Menschen anspricht, der ihre Sorgen und Nöte artikuliert, der auch in den sozialen Netzwerken präsent ist - und vor allem Lösungen anbietet. Wer dagegen im abgehobenen Politsprech über die Köpfe der Menschen hinweg redet, wird abgewählt. Mit der "schwarzen Null" etwa, dem Lob des ausgeglichenen Haushalts durch CDU und CSU, ist offenbar kein Blumentopf zu gewinnen. Es geht auch um Stimmungen, wenn Stimmen an der Wahlurne gewonnen werden sollen.
Freilich ist das gestrige 100-Prozent-Ergebnis für Martin Schulz lediglich eine Momentaufnahme, eine Selbstinszenierung, eine Selbstvergewisserung der SPD. Nicht mehr und nicht weniger. Die Bewährungsproben für Schulz kommen in den nächsten sechs Monaten erst noch. Schon die folgenden Landtagswahlen werden zu Stimmungstests für den SPD-Herausforder. Die Landtagswahl im Saarland nächsten Sonntag wird Hinweise darauf geben, wohin die Reise geht. Sollte es an der Saar etwa zu einem Regierungswechsel kommen, etwa zu einem rot-roten Bündnis aus SPD und Lafontaine-Linken, dann wäre dies das Signal für einen knallharten Lagerwahlkampf. Siege für die SPD in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen würden den Schulz-Hype neue Nahrung verleihen. Würde es in Kiel und Düsseldorf nach den Landtagswahlen im Mai dagegen nicht für SPD-geführten Regierungen reichen, wäre auch Schulz der Verlierer und seinen Chancen auf das Kanzleramt auf ein Minimum gesunken. Anders als vor vier Jahren, als Merkel mit dem schlichten Motto: "Sie kennen mich!" quasi im Schlafwagen zum Wahlsieg fuhr, wird es heuer spannend. Der Demokratie kann das nur gut tun.
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Doch Gabriel, der gewiss ein kluger Stratege ist, hatte nie das Herz seiner Partei erobern können. Den Linken war er nicht links genug, dafür zu wirtschaftsfreundlich. Den eher rechten Seeheimern dagegen war er wiederum nicht pragmatisch genug. Gabriels Verdienst ist es jedoch zweifellos, der SPD mit Martin Schulz einen wirklichen Hoffnungsträger mit ernstmals wieder realen Aussichten auf das Kanzleramt beschert zu haben. Bei CDU und CSU ist man nervös bis geschockt. Gegen Gabriel hätte man leicht Wahlkampf führen können. Gegen Schulz, der das verbreitete Gefühl, es gehe in Deutschland ungerecht zu, bedient, wird es die eher rational-kühl agierende Angela Merkel viel schwerer haben, das Kanzleramt zu behaupten. Schulz surft auf einer Welle, die mehr Gerechtigkeit verheißt.
Egal wie das Rennen im September ausgehen wird, bereits nach knapp acht Wochen hat Martin Schulz das Land elektrisiert und politisiert. So oder so. Ältere erinnern sich an die Zeiten Ende der 60, Beginn der 70er Jahre, als "Willy wählen!" ein zugkräftiger Slogan der SPD war. Auch damals waren die Konservativen nicht stark genug, eine Mehrheit dagegen zu gewinnen. Auch damals war die Republik politisiert wie lange nicht. Heute, in Zeiten von sozialen Medien, von Fake News und Postfaktischem, ist es gleichwohl komplizierter Wahlkämpfe zu führen. Es gewinnt vor allem der- oder diejenige, der auch die Gefühle der Menschen anspricht, der ihre Sorgen und Nöte artikuliert, der auch in den sozialen Netzwerken präsent ist - und vor allem Lösungen anbietet. Wer dagegen im abgehobenen Politsprech über die Köpfe der Menschen hinweg redet, wird abgewählt. Mit der "schwarzen Null" etwa, dem Lob des ausgeglichenen Haushalts durch CDU und CSU, ist offenbar kein Blumentopf zu gewinnen. Es geht auch um Stimmungen, wenn Stimmen an der Wahlurne gewonnen werden sollen.
Freilich ist das gestrige 100-Prozent-Ergebnis für Martin Schulz lediglich eine Momentaufnahme, eine Selbstinszenierung, eine Selbstvergewisserung der SPD. Nicht mehr und nicht weniger. Die Bewährungsproben für Schulz kommen in den nächsten sechs Monaten erst noch. Schon die folgenden Landtagswahlen werden zu Stimmungstests für den SPD-Herausforder. Die Landtagswahl im Saarland nächsten Sonntag wird Hinweise darauf geben, wohin die Reise geht. Sollte es an der Saar etwa zu einem Regierungswechsel kommen, etwa zu einem rot-roten Bündnis aus SPD und Lafontaine-Linken, dann wäre dies das Signal für einen knallharten Lagerwahlkampf. Siege für die SPD in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen würden den Schulz-Hype neue Nahrung verleihen. Würde es in Kiel und Düsseldorf nach den Landtagswahlen im Mai dagegen nicht für SPD-geführten Regierungen reichen, wäre auch Schulz der Verlierer und seinen Chancen auf das Kanzleramt auf ein Minimum gesunken. Anders als vor vier Jahren, als Merkel mit dem schlichten Motto: "Sie kennen mich!" quasi im Schlafwagen zum Wahlsieg fuhr, wird es heuer spannend. Der Demokratie kann das nur gut tun.
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