Regensburg (ots) - Wer aus Mangel an Beweisen freigesprochen wird, ist noch lange nicht unschuldig. Es ist nur so, dass ihm seine Schuld nicht nachgewiesen werden kann. Es ist also ein Freispruch mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor. Aber was bedeutet es, wenn jemand Kanzler, oder genauer, Kanzlerin wird, weil es keine Alternative gibt? Nichts wirklich Gutes jedenfalls. Sicher: Bis zum September kann noch vieles passieren. Die Frage aber muss erlaubt sein, was genau passieren muss, damit Angela Merkel um einen erneuten Wahlsieg fürchten müsste. Die SPD hatte mit der Kür von Martin Schulz ganz offensichtlich einen Coup gelandet, der den Menschen, vor allem offenbar den lange wenig begeisterten SPD-Sympathisanten, einen Grund gab, ihr Kreuz doch in Zukunft wieder bei den Genossen zu machen - oder sogar in die Partei einzutreten. Drei Landtagswahlen später ist es aber so, dass nicht einmal im sozialdemokratischen Kernland Nordrhein-Westfalen die einst beliebte Landeschefin Hannelore Kraft im Amt bleiben konnte. Die CDU ist die Partei der Stunde für die meisten Wähler. Und das liegt einzig an ihrer Vorsitzenden. Angela Merkel ist die Handraute der Stabilität, der Hosenanzug der Zuverlässigkeit: Man will ihr einfach vertrauen. Und dieses Vertrauen ist ja auch nicht unberechtigt. Deutschland geht es gut, wirtschaftlich ohnehin, die Stürme der vergangenen Jahre haben dem Land keinen nachhaltigen Schaden zugefügt. Merkels Regierungen geben den Deutschen, was sie offenbar am liebsten wollen: ihre Ruhe. Diese Ruhe ist aber eine trügerische. Die Welt ist nicht ruhiger und schon gar nicht sicherer geworden. Wir haben in diesem Land nur das Glück, von den meisten Verwerfungen weitgehend verschont worden zu sein. Die Flüchtlingssituation ist wieder vor die Tore der EU, zumindest aber weit weg von Deutschland verdrängt worden. Die Euro-Krise ist erst einmal wieder ein griechisches Problem in der Wahrnehmung der meisten. Einzig die Angst vor Terror nagt an uns. Die soziale Gerechtigkeit, die die SPD auf die politische Agenda gehoben hat, steht dahinter zurück. Wahlkampf? Fehlanzeige. Polarisierte politische Debatten gibt es nicht, schlicht weil die Union weiß, dass ein Nicht-Wahlkampf am ehesten die eigenen Leute an die Urnen treibt. Asymmetrische Destabilisierung heißt die Taktik, und sie hat Merkel schon zwei Mal die Kanzlerschaft gerettet, während sie die politische Landschaft in eine Ödnis verwandelt hat, an deren Rändern die AfD Fuß fassen konnte, wenn auch nicht in dem Maße, wie von den Rechtspopulisten erhofft. Die SPD müht sich an der großen CDU-Vorsitzenden ab, verschleißt dabei einen durchaus geeigneten Kanzlerkandidaten nach dem anderen und stürzt von einer Sinnkrise in die nächste. Willkommen im Schlafwagen auf der Reise ins Merkel-Land. Nächster Halt: 2017 bis 2021. Der wahre Verlierer der Merkel-Jahre aber ist die CDU selbst. Sie hat sich auf Gedeih (und noch nicht auf Verderb) Angela Merkel unterworfen. Widerstand zwecklos. Merkel hat die Union - ja, auch die CSU - geprägt, ihr ein Gesicht gegeben. Aber wer kommt danach? Und was, wenn Merkel eines Tages nicht mehr zieht? Und muss die SPD selbst mit einem anfänglichen Sympathieträger wie Martin Schulz erst auf ein Scheitern Merkels warten, um eine Chance zu bekommen? Aus Mangel an Alternativen: Das klingt wie eine Verurteilung. Das ist es aber nicht wirklich. Es gäbe Schlimmeres als eine weitere Legislatur unter der Kanzlerin. Das Schlimme ist eher, dass es nichts Besseres zu geben scheint.
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