Bielefeld (ots) - Man reibt sich verwundert die Augen: Plötzlich gibt es ein Thema, das so kontrovers diskutiert wird, als hinge die Zukunft des Landes davon ab. Gemeint ist die "Ehe für alle". Zugegeben: Das Thema wird schon viel zu lange von der Mehrheit aus konservativ-gestrigen Kleinbürgern, werte-konservativen Großbürgern und gleichgültigen politischen Taktierern blockiert. Aber eigentlich ist es kein Thema, über das ernsthaft an der Lösung orientierte Pragmatiker länger als eine halbe Stunde für einen Konsens sprechen müssten. Was soll also die Aufregung? Die Antwort ist schlicht: Es ist Wahlkampf. Da verdichten sich eigentlich nur graduelle Unterschiede gern zu grundsätzlichen Kontroversen. Die Kanzlerin hat einen gefährlichen Horizont für sich erkannt. Mit ihren Beschlüssen zur "Ehe für alle" als Bedingung für eine Koalition hatten SPD, Grüne und FDP die Union isoliert. Am Horizont schimmerte eine Ampel-Koalition. Merkel musste handeln. Und sie tat, was sie schon bei Atomausstieg, der Abschaffung der Wehrpflicht, der Autobahn-Maut, bei Mindestlohn, Mietpreisbremse und Frauenquote tat: Sie räumte alte konservative Positionen der Union einfach so ab. Die Wähler, das glaubt die Kanzlerin, interessiert das sowieso nicht. Und ein Streitthema gefährdet ihre eigene Strategie, möglichst präsidial durch einen geruhsamen Wahlkampf zu kommen. Inhalte sind schlecht für diese Strategie. Zwei Mal schon hat Merkel so 2009 und 2013 Wahlen gewonnen. Diesmal allerdings gibt es Risiken. Offenbar hat die Kanzlerin unterschätzt, dass die Abstimmung über ein Gesetz noch diese Woche stattfinden wird. Nun hat sie ihre eigene Partei gespalten. Sie hat dazu dem nur mühsam anlaufenden SPD-Wahlkampf und dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz eine Chance gegeben, Merkels Gegner und eigene Anhänger zu mobilisieren. Das schien bislang eher nicht der Fall, selbst wenn viele Wählerinnen und Wähler mit dem Mehltau der Merkel-Regierungsjahre hadern. Also: Eigentlich ist das Thema der "Ehe für alle" nicht groß genug, um etwas Entscheidendes zu bewegen. Seit dieser Woche aber ist wegen dieser Ehe unerwartete Bewegung im Wahlkampf. Kommt die Kanzlerin mit Beliebigkeit noch mal durch? Oder wird sie am Ende sogar eine Kanzlerin ohne Partei sein? Das ist Merkels Dilemma. Noch 87 Tage bis zur Wahl. Es wird spannender als gedacht. Langsam, aber sicher.
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