Angesichts der Inhaftierung von Regimekritikern in der Türkei fordert die Linkspartei eine Aussetzung von Abschiebungen in die Türkei. "Wenn das Bundesaußenministerium davor warnt, in der Türkei Urlaub zu machen, muss es auch einen Abschiebestopp für türkische Staatsangehörige geben", sagte Linken-Chef Bernd Riexinger der "Welt" (Samstagsausgabe).
Dies gelte umso mehr, wenn der türkische Geheimdienst auch gegen nach Deutschland geflohene türkische Bürger vorgehe. "Im Moment kann in der Türkei offenbar niemand vor einer Verhaftung sicher sein, es sei denn, man ist Gewährsmann oder -frau des Erdogan-Regimes", sagte Riexinger. Das Bundesinnenministerium teilte auf Nachfrage mit, dass es an der Rückführung abgelehnter türkischer Asylbewerber festhalte. Deutschland komme seiner Verpflichtung nach und nehme diejenigen türkischen Asylsuchenden auf, die tatsächlich schutzberechtigt seien, teilte ein Sprecher der Zeitung mit.
"Dies bedeutet umgekehrt aber auch, dass diejenigen, deren Asylanträge nach einer individuellen und gegebenenfalls gerichtlich bestätigten Prüfung abgelehnt werden, grundsätzlich in ihr Heimatland zurückkehren müssen." Mit Stichtag Ende Mai waren laut Bundesinnenministerium 6.514 türkische Staatsangehörige mit Aufenthalt in Deutschland ausreisepflichtig. Dabei handelt es sich sowohl um straffällig gewordene türkische Staatsbürger als auch um abgelehnte Asylbewerber. Nach dem Umsturzversuch am 15. Juli 2016 war die Zahl der Asylbewerber aus der Türkei deutlich angestiegen.
So hatten im vergangenen Jahr 5.742 Türken Asyl in Deutschland beantragt, im ersten Halbjahr 2017 kamen rund 3.200 weitere Personen hinzu. Die Schutzquote ist allerdings gering: Sie lag im Jahr 2016 in Deutschland bei 8,2 Prozent und in der ersten Jahreshälfte 2017 infolge der Säuberungswellen in der Türkei bei 23,2 Prozent. Die Union sprach sich gegen einen Stopp von Abschiebungen aus. "Für eine generelle Aussetzung gibt es derzeit keinen Anlass", sagte Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der "Welt".
Jeder Abschiebung gehe ohnehin eine eingehende Prüfung des Einzelfalls voraus. "Dabei wird selbstverständlich auch geprüft, ob der betroffenen Personen in ihrem Heimatstaat eine politische Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht." Auch einige der für die Durchsetzung der Abschiebungen zuständigen Bundesländer sehen keine Grundlage für eine generelle Aussetzung der Rückführung. "Derzeit gibt es keine Hinweise auf völkerrechtliche oder humanitäre Gründe, die eine Forderung nach einem Abschiebungsstopp für türkische Staatsangehörige in die Türkei rechtfertigen würden", heißt es etwa aus dem CDU-geführten schleswig-holsteinischen Innenministerium.
Ähnlich äußerten sich Berlin, Brandenburg, Sachsen und das Saarland. In der Vergangenheit hatten einzelne Bundesländer Abschiebungen etwa nach Afghanistan auch eigenständig ausgesetzt. Über die Ablehnung von Asylanträgen entscheidet grundsätzlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Vor einer Abschiebung prüfen die Länder allerdings stets, ob konkrete Abschiebungshindernisse vorliegen.
Sie berufen sich dabei aus Lagebeurteilungen aus dem Auswärtigen Amt. Das sächsische Innenministerium teilte der Zeitung hierzu mit: "Nach der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes ist bislang kein Fall bekannt, dass abgeschobene türkische Staatsangehörige in menschenunwürdiger Weise behandelt wurden." Das Auswärtige Amt bestätigte diese Angabe zunächst nicht.