Mainz (ots) - Zuverlässig wurden am Wochenende Stimmen laut, die nach dem Messerangriff in Hamburg reflexartig ein schärferes Vorgehen gegen radikale Islamisten forderten und andeuteten, die Sicherheitsorgane könnten erneut versagt haben. Dass unter diesen Stimmen auch eine aus der SPD war, ist ein weiterer Beleg für die erstaunliche geistige Flexibilität der Sozialdemokratie im Jahr der Bundestagswahl. Sowohl der Erste Bürgermeister Olaf Scholz als auch Innensenator Andy Grote dürfen sich jedenfalls direkt angesprochen fühlen von den lauten Überlegungen ihres Parteigenossen Burkhard Lischka, der sich fragte, warum der Täter Ahmad A. nicht längst in Abschiebehaft saß. Dabei müsste Lischka eigentlich wissen: Das Gesetz, das die Verhängung von Abschiebehaft und die Anordnung strenger Überwachungsmaßnahmen gegen Ausreisepflichtige erleichtert - eine Lehre aus dem Fall Amri - trat erst am Samstag in Kraft ¬und ist an die Bedingung geknüpft, dass von dem Betroffenen eine "erhebliche Gefahr" ausgeht. Das aber wurde von den Hamburger Behörden ausdrücklich verneint. Ob vorliegende Hinweise auf eine Radikalisierung und psychische Probleme A.s möglicherweise nicht ernst genug genommen wurden, muss nun gründlich untersucht werden. Bislang spricht nichts für eine grobe Fehleinschätzung. Es liegen ja nicht mal gesicherte Informationen vor, ob A. wirklich aus islamistischen Motiven um sich stach oder aus psychischer Verwirrung heraus. Wer jetzt vorschnell Urteile fällt und einen Staat skizziert, in dem man schon bei leisesten Anzeichen einer extrem religiösen Gesinnung hinter Gittern landet, offenbart keine politische Klugheit, sondern niedere politische Instinkte.
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