Mainz (ots) - "Jeder von uns hat das Recht, klüger zu werden" - so nonchalant wie seinerzeit Kanzler Konrad Adenauer vermag es CSU-Chef Horst Seehofer nicht, die flexible Handhabung politischer Grundüberzeugungen zu verklausulieren. Und wirkt folglich manchmal unbeholfen, wenn Brüche offen zutage treten zwischen dem, was er gestern vertreten hat, und dem, was er heute vertritt. Jahrelang trug Seehofer die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge wie eine Monstranz vor sich her, riskierte dafür sogar den Koalitionsbruch und drohte noch im Dezember, in die Opposition zu gehen, sollte sich die CSU nicht durchsetzen. Dann kam, unter dem Eindruck des Hypes um Martin Schulz, der Versöhnungsgipfel von München im Februar, wo Seehofer und Merkel einen seltsamen Burgfrieden schlossen: Das Thema Obergrenze sollte nur noch in einem "Bayernplan" der CSU auftauchen - als ob in diesem Jahr keine Bundestags-, sondern eine bayrische Landtagswahl anstünde. Und jetzt ist die Obergrenze de facto offenbar ganz vom Tisch, soll jedenfalls kein Hinderungsgrund mehr sein für Koalitionsverhandlungen nach dem 24. September. Ist Seehofer, um mit Adenauer zu sprechen, also klüger geworden? Wohl kaum. Die neuen Töne, die Seehofer anschlägt, sprechen allenfalls für taktische Schläue, da sie ein wesentliches Hindernis für eine Annäherung an Grüne und FDP aus dem Weg räumen. Die Frage ist jetzt nur, was aus Sicht der Union größer ist: der Nutzen im Hinblick auf die möglicherweise erweiterten Machtoptionen? Oder der Schaden durch neuerliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines ihrer herausragenden Protagonisten?
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