Bielefeld (ots) - Wenn's nicht so traurig wäre, man würde am liebsten lauthals auflachen: Ausgerechnet die lupenrein demokratiefeindliche Regierung der Türkei spricht eine »Reisewarnung« für Deutschland aus. Das ist an Dreistigkeit kaum mehr zu überbieten und folgt dem Handlungsmuster eines Diebes, der »Haltet den Dieb, da läuft er!« ruft und so von sich abzulenken versucht. Das Papier liest sich wie eine boshafte Persiflage auf die ja leider mehr als begründeten Reisehinweise für die Türkei, die das deutsche Außenministerium gerade erst verschärft hat. Man schüttelt den Kopf, wenn in der »Reisewarnung« zu lesen ist, der Wahlkampf in Deutschland sei von einem »rechtsextremen, gar rassistischen Diskurs« geprägt. Denn diese Äußerung ist ja nicht auf tatsächlich rechtsextreme Parteien gemünzt, sondern vor allem auf CDU und SPD, die nicht müde werden, die türkische Regierung zu kritisieren. Die empörten Reaktionen in der deutschen Politik ließen nicht lange auf sich warten. Doch wenn SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mahnt, Deutschland sei kein Land, »das jede Demütigung aus der Türkei akzeptieren kann«, dann stellt sich die Frage der Konsequenzen. Schon sein Vorstoß, die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU zu beenden, lässt sich angesichts der mangelnden Unterstützung vieler EU-Mitglieder nicht umsetzen. Was also schwebt Schulz vor, womit er die Flegelhaftigkeiten aus Ankara kontern will? Auch wenn es schwerfällt: Deutschland darf nicht den Fehler machen, die türkischen Provokationen in gleicher Münze heimzahlen zu wollen. Notwendig ist vielmehr ein unablässiger Einsatz für jene Menschen, die in der Türkei kujoniert werden. Da geht es natürlich um die inhaftieren Deutschen, allen voran um den »Welt«-Korrespondenten Deniz Yücel. Aber es geht auch um jene Menschen, die von der Türkei pauschal zu »Terroristen« erklärt werden, nur weil sie - ob zu Recht oder zu Unrecht - mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Und nicht zuletzt: Deutschland muss stets auch der Gefahr entgegentreten, dass »die Türken« pauschal mit der Regierung Erdogan gleichgesetzt werden. Ob in der Türkei oder in Deutschland: Jeder politische Diskurs, der diesen Namen verdient, ist fördernswert. Politische Willensbildung aber hintertreibt die türkische Regierung, wenn sie dazu rät, »sich von Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien und von Plätzen« fernzuhalten. Und wie soll Deutschland nun auf die »Reisewarnung« antworten? Die beste Lösung wäre es, den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu für den »Orden wider den tierischen Ernst« vorzuschlagen. Denn ernst nehmen kann man das inszenierte Polit-Gepolter schon lange nicht mehr.
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