Bremen (ots) - Noch lebt "Cumhuriyet". Die türkische Traditionszeitung mit dem programmatischen Namen "Republik" ist so alt wie der Staat, den Mustafa Kemal Atatürk im Jahr 1923 begründete. Diese letzte Bastion des freien Worts in der Türkei ist ein Symbol der säkularen Verfassung wie das Parlamentsgebäude und der alte Präsidentenpalast in Ankara. Der wurde bereits von Erdogan durch einen Prunkpalast ersetzt. Das Parlament wird einem Neubau weichen und "Cumhuriyet" soll schon vorher fallen. Das ist das Ziel im Prozess gegen 17 Mitarbeiter, der in dieser Woche in die zweite Runde geht. Das Verfahren wurde vor die Tore Istanbuls verlegt, weil die erste Verhandlungswoche im Juli zu viel internationales Aufsehen erregte. Dort erlebte die staatlich gelenkte Justiz ein Debakel, als die angeklagten Journalisten ihre Verteidigung in flammende Anklagen ummünzten. Ihre Reden vor Gericht werden in die Geschichte der Türkei eingehen. Sie zerpflückten die absurde Anklage, die ihnen die Unterstützung gegensätzlicher Terrorgruppen unterstellt. Nein, ihr wahres Verbrechen ist die Kritik an Erdogan und der Regierungspartei AKP, die das Land rasend schnell in eine Diktatur des Irrsinns verwandeln. Ihr Vergehen ist das Festhalten am journalistischen Ethos: Sagen, was ist. Das verzeiht ihnen der Sultan nicht. Erdogans fortschreitende Gleichschaltung der Medien gibt all jenen recht, die sein Vorgehen seit dem blutigen Putschversuch des Militärs als "zivilen Putsch" bezeichnen. Da ist es ein kleines Wunder, dass "Cumhuriyet" noch immer existiert und jeden Tag eine neue Ausgabe produziert. Vielleicht hat Erdogan sie aus einer Art Rest-Respekt vor den Symbolen der Republik noch nicht zermalmt. Vielleicht hat die internationale Solidarität geholfen. Aber es wäre mehr möglich und nötig: Deutsche Politiker, die den Prozess besuchen, finanzielle Hilfen für die "Cumhuriyet"-Stiftung. Europa darf diesen Leuchtturm der Freiheit nicht allein lassen.
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