Bielefeld (ots) - CDU und CSU führen Koalitionsverhandlungen mit sich selbst und die Kanzlerin muss sich beim Deutschlandtag der Jungen Union fragen lassen, wann sie den Weg für einen Neuanfang freimacht. Auch wenn Letzteres eine Einzelstimme gewesen sein mag: Die Lage ist ernst - für die Vorsitzenden Angela Merkel und Horst Seehofer persönlich und für ihre Parteien erst recht. Da käme ein Durchbruch im Dauerstreit um das Reizwort »Obergrenze« doch gerade recht, oder? Vorsicht: Jeder Friede zwischen den ungleichen Schwestern dürfte brüchig bleiben. CDU und CSU zahlen damit den Preis für eine Entfremdung, die tiefer kaum sein könnte. Eine Entfremdung, die nicht erst im Zuge der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 begann, sondern damals bloß ihren Höhepunkt fand. Eine Entfremdung, die sich auch im zerrütteten Verhältnis zwischen Merkel und Seehofer spiegelt. Und sie zahlen den Preis dafür, dass sie einen Wahlkampf der Doppelbotschaften geführt haben. Dass sie einen Stillhaltepakt geschlossen haben - trotz unvereinbarer programmatischer Inhalte. Am Ende sind CDU und CSU abgeschmiert. So ist es einzig der Arithmetik des Wahlergebnisses samt der Angst vor einem weiteren Erstarken der AfD im Falle von Neuwahlen geschuldet, wenn nun der große Knall ausbleibt. Merkel und Seehofer - das ist eine Allianz der Schwäche. Und eine Schicksalsgemeinschaft zugleich. Zwei Wahlverlierer, die gezwungen sind, aus dem bitteren Resultat des 24. September ein Bündnis mit Grünen und FDP zu schmieden. Was schon für eine CDU/CSU, die ganz mit sich im Reinen wäre, einen Kraftakt darstellte. Dabei ist klar: In der Sache kann es zwischen Merkels und Seehofers Positionen keinen echten Kompromiss geben. Wer etwas anderes sagt, überschreitet die Obergrenze zur Wortklauberei. Trotzdem war dieser Moment neuer »vorbehaltloser Einigkeit« absehbar. Einfach, weil beide derzeit nicht ohne den anderen können. »Alternativlos« nennt man das wohl. Doch entschieden ist damit nichts. CDU und (noch mehr) die CSU sind längst dabei, sich von ihren Parteichefs zu emanzipieren. Gut möglich, dass einer von beiden noch in diesem Herbst sein Amt verliert. Merkel wird das kaum sein. Leichter würde es für sie mit einer CSU ohne Seehofer aber nicht. Ihre Messgröße ist ohnehin eine andere: Angela Merkel hat einen Punkt ihrer Kanzlerschaft erreicht, an dem sie sich überlegen muss, was sie hinterlassen will. Und in welchem Zustand ihre Partei dann ist. Entweder sie entscheidet sich - entgegen ihrer bisherigen Attitüde - auf ihrer Schlussrunde doch noch für einen mutigen, offensiven Weg in die Zukunft, oder es wird ihr ergehen, wie es einst Helmut Kohl erging. Ein Schicksal, das sie immer zu vermeiden versucht hat. Wohl auch, weil sie selbst ja am besten weiß, wie es dazu kam.
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