Regensburg (ots) - Europas Baustellen
von Reinhard Zweigler, MZ
Europas Seele ist die Toleranz, sagte Angela Merkel vor mehr als zehn Jahren. Dass Europa durch innere Widersprüche, Nationalismus, Separatismus und Fremdenfeindlichkeit derart auf die Probe gestellt werden würde, mag die Kanzlerin damals nicht geahnt haben. Derzeit wird die EU, die einst als politische Antwort auf die verheerenden Kriege des vergangenen Jahrhunderts entstand, von politischen Kämpfen geschüttelt, die die Gründungsväter des westlichen Europa für überwunden hielten. Europa hat derzeit sehr viele Baustellen und nur wenige Baumeister. Ob in Spanien, Italien, Belgien oder Großbritannien - überall kämpfen Landesteile um Unabhängigkeit von der jeweiligen Zentralregierung. Die Wurzeln dieser Autonomiebestrebungen liegen zum Teil in der Geschichte, zum Teil in der Kultur und zu einem großen Teil in den wirtschaftlichen Verhältnissen. Prosperierende Regionen, wie Katalonien oder die boomende norditalienische Lombardei und Venetien versprechen sich von einer Loslösung, zumindest einer weitgehenden Autonomie, von Madrid beziehungsweise Rom fiskalische Vorteile. Oder schlicht gesagt, die reicheren Provinzen sind es leid, den ärmeren und der Zentrale so viel abzugeben. Das mag rein buchhalterisch, vom Standpunkt der Stammtische her nachvollziehbar sein, politisch klug und nachhaltig ist es jedoch nicht. Der Fall Katalonien zeigt, wie man es nicht machen darf. Auf der einen Seite erweisen die Separatisten um Regionalregierungschef Carles Puigdemont den Interessen Kataloniens einen Bärendienst. Sie haben die Region mit dem unbedachten und verfassungswidrigen Referendum sowie einer verantwortungslosen Zickzack-Politik einen Bärendienst erwiesen. Auf der anderen Seite jedoch erweist sich auch die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy mit ihrem harten Durchgreifen als engstirnig, eskalierend und verhängnisvoll dominant. Leider spielt der spanische König Felipe VI. Im innerspanischen Konflikt keine mäßigende Rolle, sondern erteilt Rajoy Rückendeckung. Und sollte Madrid wirklich die Regionalregierung absetzen und die Kontrolle über Polizei-, Finanz- und andere Behörden in Katalonien übernehmen, ist das nach Verfassungsartikel 155 zwar formal rechtens, doch politisch und moralisch wäre das Wasser auf die Mühlen der Separatisten, die sich dann als Opfer Madrids gerieren könnten. Das schlimme Vorbild von Diktator Franco schimmert leider durch. Und glaubt Rajoy allen Ernstes, dass Wahlen in dieser aufgeheizten Stimmung nicht zugunsten derer ausgehen, die Katalonien von Spanien abspalten wollen? Doch Sorgen bereiten derzeit nicht nur Sezessionsbestrebungen in einigen Teilen Europas, sondern auch der politische Rechtsruck, wie er vergangene Woche in Wien und jetzt in Prag zu verzeichnen ist. In der östlichen Nachbarrepublik wurde mit dem rechtspopulistischen Milliardär Andrej Babis eine Art tschechischer Berlusconi Wahlsieger. Er hat mit einem antieuropäischen Programm, mit Abschottung der Grenzen und der Warnung vor Terrorismus durch Flüchtlinge Stimmung gemacht und rund 30 Prozent der Stimmen gewonnen. Den Euro lehnt der mögliche neue Prager Ministerpräsident ab. Ein Czexit, der Austritt Tschechiens aus der EU, ist von Babis dagegen nicht zu erwarten. Viel zu sehr profitiert sein weit verzweigtes Firmenimperium von Subventionen aus Brüssel. Die Anti-Einwanderungspolitik, die bislang die sogenannten Vishegrad-Staaten, Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn umfasste, dürfte mit Österreich und seinem designierten Regierungschef Sebastian Kurz bald ein neues Mitglied bekommen. Das Problem der EU ist, dass es kein Konzept hat, wie den Fliehkräften innerhalb der Gemeinschaft wirkungsvoll begegnet werden könnte.
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von Reinhard Zweigler, MZ
Europas Seele ist die Toleranz, sagte Angela Merkel vor mehr als zehn Jahren. Dass Europa durch innere Widersprüche, Nationalismus, Separatismus und Fremdenfeindlichkeit derart auf die Probe gestellt werden würde, mag die Kanzlerin damals nicht geahnt haben. Derzeit wird die EU, die einst als politische Antwort auf die verheerenden Kriege des vergangenen Jahrhunderts entstand, von politischen Kämpfen geschüttelt, die die Gründungsväter des westlichen Europa für überwunden hielten. Europa hat derzeit sehr viele Baustellen und nur wenige Baumeister. Ob in Spanien, Italien, Belgien oder Großbritannien - überall kämpfen Landesteile um Unabhängigkeit von der jeweiligen Zentralregierung. Die Wurzeln dieser Autonomiebestrebungen liegen zum Teil in der Geschichte, zum Teil in der Kultur und zu einem großen Teil in den wirtschaftlichen Verhältnissen. Prosperierende Regionen, wie Katalonien oder die boomende norditalienische Lombardei und Venetien versprechen sich von einer Loslösung, zumindest einer weitgehenden Autonomie, von Madrid beziehungsweise Rom fiskalische Vorteile. Oder schlicht gesagt, die reicheren Provinzen sind es leid, den ärmeren und der Zentrale so viel abzugeben. Das mag rein buchhalterisch, vom Standpunkt der Stammtische her nachvollziehbar sein, politisch klug und nachhaltig ist es jedoch nicht. Der Fall Katalonien zeigt, wie man es nicht machen darf. Auf der einen Seite erweisen die Separatisten um Regionalregierungschef Carles Puigdemont den Interessen Kataloniens einen Bärendienst. Sie haben die Region mit dem unbedachten und verfassungswidrigen Referendum sowie einer verantwortungslosen Zickzack-Politik einen Bärendienst erwiesen. Auf der anderen Seite jedoch erweist sich auch die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy mit ihrem harten Durchgreifen als engstirnig, eskalierend und verhängnisvoll dominant. Leider spielt der spanische König Felipe VI. Im innerspanischen Konflikt keine mäßigende Rolle, sondern erteilt Rajoy Rückendeckung. Und sollte Madrid wirklich die Regionalregierung absetzen und die Kontrolle über Polizei-, Finanz- und andere Behörden in Katalonien übernehmen, ist das nach Verfassungsartikel 155 zwar formal rechtens, doch politisch und moralisch wäre das Wasser auf die Mühlen der Separatisten, die sich dann als Opfer Madrids gerieren könnten. Das schlimme Vorbild von Diktator Franco schimmert leider durch. Und glaubt Rajoy allen Ernstes, dass Wahlen in dieser aufgeheizten Stimmung nicht zugunsten derer ausgehen, die Katalonien von Spanien abspalten wollen? Doch Sorgen bereiten derzeit nicht nur Sezessionsbestrebungen in einigen Teilen Europas, sondern auch der politische Rechtsruck, wie er vergangene Woche in Wien und jetzt in Prag zu verzeichnen ist. In der östlichen Nachbarrepublik wurde mit dem rechtspopulistischen Milliardär Andrej Babis eine Art tschechischer Berlusconi Wahlsieger. Er hat mit einem antieuropäischen Programm, mit Abschottung der Grenzen und der Warnung vor Terrorismus durch Flüchtlinge Stimmung gemacht und rund 30 Prozent der Stimmen gewonnen. Den Euro lehnt der mögliche neue Prager Ministerpräsident ab. Ein Czexit, der Austritt Tschechiens aus der EU, ist von Babis dagegen nicht zu erwarten. Viel zu sehr profitiert sein weit verzweigtes Firmenimperium von Subventionen aus Brüssel. Die Anti-Einwanderungspolitik, die bislang die sogenannten Vishegrad-Staaten, Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn umfasste, dürfte mit Österreich und seinem designierten Regierungschef Sebastian Kurz bald ein neues Mitglied bekommen. Das Problem der EU ist, dass es kein Konzept hat, wie den Fliehkräften innerhalb der Gemeinschaft wirkungsvoll begegnet werden könnte.
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