Regensburg (ots) - Es gehört schon ein gehöriges Maß an Selbstverleugnung dazu, wenn SPD-Chef Martin Schulz die unverhohlene Kampfansage von SPD-Vize Olaf Scholz mit der Bemerkung abtropfen lässt, man habe eigentlich mehr Übereinstimmungen als Differenzen. Also "eigentlich" keine Probleme. Nur nimmt kaum einer Schulz diese Schönfärberei ab. Der gescheiterte Kanzlerkandidat schwankt hin und her. Eigentlich möchte er die SPD auf einen harten, linken antikapitalisitischen Kurs festlegen, doch ein Großteil der SPD, allen voran der Hamburger Scholz, will genau das nicht, sondern die Partei auf einem pragmatischen, wirtschaftsfreundlichen Mittekurs halten. Die SPD ist derzeit ein Widerspruch in sich. Das größte Problem der Sozialdemokratie ist dabei ihre Ratlosigkeit, wohin sie sich entwickeln und wofür sie stehen soll. Hatte es Schulz nach seiner überraschenden Inthronisation als Merkel-Herausforderer und schließlich als 100-Prozent-Vorsitzender für eine kurze Zeit geschafft, der Partei neues Leben und so etwas wie Siegeszuversicht einzuimpfen, so verpuffte sein Mantra von "mehr Zeit für Gerechtigkeit" relativ rasch. Das lag freilich nicht nur daran, dass der einstige Chef des Europa-Parlaments nicht lieferte, seine Gerechtigkeits-Philosophie nicht sofort konkret untermauerte, sondern auch an der sozialdemokratischsten Kanzlerin, die die Union je hervorgebracht hat. Angela Merkel hat viele Themen der SPD flugs vereinnahmt. Zumindest konnte sie den Anschein erwecken, dass selbst ursozialdemokratische Projekte, wie der Mindestlohn oder die Rente mit 63, eigentlich Merkels Anliegen waren. Die SPD in der GroKo hat ordentlich gerackert, doch den Lohn dafür kassierte sie nicht. Und Schulz vermochte es nicht hinreichend, die durchaus vorhandenen politischen Unterschiede zur Union Merkels deutlich zu machen. Selbst aus dem Kanzler-Duell wurde in weiten Teilen nur ein eher ermüdendes Duett. Schulz war zwar zu kleinen Sticheleien fähig, doch nicht zur großen Attacke, die Merkel wirklich herausgefordert und vielleicht doch noch in Bedrängnis gebracht hätte. Wohl mehr aus Trotz und Verzweiflung gab die SPD deshalb noch am Wahlabend die Losung aus: nicht noch mal eine GroKo. Sollen sich doch andere durch die Liaison mit der Union kleinmachen lassen. Inzwischen bekräftigte Schulz seine Politik der kalten Schulter gegen CDU und CSU sogar noch und deutete als einzigen Ausweg aus den Hakeleien bei den Jamaika-Verhandlungen Neuwahlen an. Ohne das er es wollte, könnte Schulz den schwarz-gelb-grünen Verhandlern damit das Folterwerkzeug aufgezeigt haben. Sollten die sich nicht zu einer Jamaika-Koalition zusammenraufen, würden sie bei vorgezogenen Wahlen ziemlich sicher abgestraft. So oder so steht Schulz in der eigenen Partei geschwächt da. Erst fuhr er ein brutales Wahldesaster ein, dann überrumpelte er die Partei mit der dogmatischen Absage an erneutes Mitregieren. Und schließlich leistete er sich eine ganze Reihe zumindest fragwürdiger Personalentscheidungen. Der Seeheimer Kreis vom eher rechten Flügel besetzt mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Carsten Schneider - Schulz wollte dafür allerdings den Noch-Generalsekretär Hubertus Heil -, dem Bundestagsvize Thomas Oppermann sowie dem künftigen Generalsekretär Lars Klingbeil gleich drei wichtige Posten. Die bisherige Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert wiederum warf hin. Und die von Schulz auserkorene Nachfolgerin, die Juso-Vorsitzende Johanna Ueckermann aus Niederbayern, gab ihm einen Korb. Selten ist ein SPD-Chef dermaßen angeschlagen in einen Parteitag gegangen, der Anfang Dezember stattfindet. Sollte Schulz dort dennoch wieder gewählt werden, wäre das kein Zeichen von Stärke, sondern Ausdruck der Unentschlossenheit der Partei. Scholz beziehungsweise ein anderer oder eine andere sollten Schulz herausfordern.
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