Regensburg (ots) - Mit der dem Kirchenreformator Martin Luther zugeschriebenen, aber wohl nie von ihm gemachten Äußerung ,Hier stehe ich, ich kann nicht anders' kommt es nie zu einer Jamaika-Regierung. Wenn alle vier ungleichen Partner fundamental auf ihren liebgewordenen Positionen beharren würden, könnte man sich die tage- und nächtelangen Sondierungen sparen und Neuwahlen ausrufen. Doch Politik und Demokratie funktionieren nicht nach der Schwarz-Weiß-Formel: Friss Vogel, oder stirb. Das Lebenselixier von Demokratien ist vielmehr der kluge, alle Seiten einbeziehende und für alle tragbare Kompromiss. Das heißt freilich auch, dass man einiges aufgeben muss, um anderes durchsetzen zu können. Doch so weit sind die seit über zwei Wochen zusammensitzenden, potenziellen Jamaika-Partner noch lange nicht. Man ist über die Phase der Beschreibung der jeweils eigenen Positionen, wenn man so will den Nach-Wahlkampf, noch nicht hinaus gekommen. Vor allem die drei kleinen Parteien CSU, FDP und Grüne beharken sich gegenseitig so heftig, dass man um das Zustandekommen von Jamaika fürchten muss. Bislang hat die große Moderatorin aus dem Kanzleramt öffentlich geschwiegen, doch jetzt, da es Knopf auf Spitz steht, ging Angela Merkel in die Offensive. Die CDU-Vorsitzende, die nicht nur Druck aus den eigenen Unionsreihen verspürt, tat das nicht mit großen, sondern sehr schlichten Worten. Man müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, dass es den Menschen in Deutschland auch in zehn Jahren noch gut gehe, lautete ihre Botschaft. Es ist zugleich eine Mahnung, ein Appell an das Verantwortungsbewusstsein der unterschiedlichen Jamaika-Partner. Offenbar hat Merkel gespürt, dass etwas aus dem Ruder laufen, dass Jamaika platzen könnte, ehe man richtig in Verhandlungen eingetreten ist. Der kühlen Machtpolitikerin dürfte klar sein, dass sie bei Neuwahlen kaum noch Spitzenfrau der Union sein würde. Man könnte sagen, Merkels politisches Schicksal ist mit Jamaika verknüpft. Horst Seehofer geht es ähnlich. Kann der CSU-Chef in Bayern, vor allem seiner Parteibasis, nicht bald Zählbares aus Berlin vorweisen, würde aus dem vernehmlichen Sägen an seinem Stuhl wahrscheinlich ein politisches Beben, das der Ingolstädter politisch nicht überleben würde. CDU und CSU sind mehr als die anderen Jamaika-Aspiranten FDP und Grüne zum Gelingen der schwarzen Ampel verdammt. Leichter werden die Verhandlungen durch den Druck freilich nicht. Dabei sind Koalitionsfindungen ohnehin keine vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltungen. Da wird gestichelt, gepokert, geholzt und manchmal bis zur Erschöpfung verhandelt, vertagt und der Faden wieder aufgenommen. Allerdings braucht es für das Zustandekommen eines Regierungsbündnisses ein Mindestmaß an Übereinstimmung, vor allem an Vertrauen. Nur ist das derzeit nicht vorhanden, oder noch nicht vorhanden. Zurzeit wissen wahrscheinlich nicht einmal die Protagonisten selbst, ob das Jamaika-Projekt zustande kommen wird oder nicht. Die Optimisten verweisen darauf, dass Deutschland mit Blick auf europäische und weltweite Herausforderungen rasch eine handlungsfähige Regierung braucht. Für innenpolitische und wirtschaftliche Stabilität und die gewaltigen Herausforderungen der nächsten Jahre gilt das ohnehin. Die Pessimisten führen die gewaltigen politischen, ideologischen und kulturellen Differenzen zwischen den Parteien an, die nie überwunden werden könnten. Dabei könnte eine Jamaika-Koalition, auch wenn sie glanzlos, aber solide regierte, dem Land etwas Neues bringen. Das Glas ist halbvoll. Prost Jamaika.
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