Mainz (ots) - Was für eine Woche. Sie ist komplett überschattet von der einsamen Entscheidung eines Christian Lindner, Jamaika platzen zu lassen. Eine Koalition, die angeblich keiner mochte, die aber offenbar doch jeder wollte. Wie berechnend Lindners Schritt und dessen zweifelhafte Inszenierung auch war: In der Politik entscheidet häufig nicht der erste Reflex über richtig oder falsch, über Zustimmung oder Ablehnung, sondern die Zeit. Es ist im Wortsinne merkwürdig, wie schnell sich der Blick im Lauf der Woche verschoben hat: Am Montagmorgen noch wachte ein Land auf, das sich auf einmal um eine Regierung betrogen sah, die sich auf einem Berliner Balkon doch längst gefunden hatte. Ein paar Tage später kommt uns das kurzzeitig schillernde Jamaika schon merkwürdig schal vor. Das Thema Jamaika ist jedenfalls tot. Und das Thema Neuwahl ist es zum Glück inzwischen auch. Die SPD hat diese neue Lage längst erkannt. Sie braucht jetzt nur noch ein wenig Zeit, um von dem Neuwahl-Gaul wieder herunterzukommen, auf das sie der glücklose Martin Schulz gesetzt hat. Sie braucht auch Zeit, um die geschwächte Merkel zappeln zu lassen, um sich für den anstehenden Parteitag zu sortieren und um endlich einmal darüber nachzudenken, mit welcher Politik man sich nicht nur zum Steigbügelhalter der ewigen Kanzlerin degradiert. Mit fünf unübersehbaren Eckpfeilern zum Beispiel, die jeder sofort verstehen würde und die ein so erbärmliches Klein-Klein wie bei Jamaika erst gar nicht möglich machten: 1. sozialer Wohnungsbau bis zum Abwinken; 2. Zehn-Euro Mindestlohn schrittweise; 3. ein Rekordpaket zur Sanierung maroder Straßen und Brücken und für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs; 4. eine europäische Initiative, die die Steuerparadiese für asoziale Superreiche austrocknet; 5. eine europäische Initiative, die die Datenmonopole der Internetgiganten bricht. Ob ein solches Programm von Herrn Schulz oder Herrn Scholz durchgeboxt würde, wäre übrigens zweitrangig.
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