Regensburg (ots) - Beim Bundespresseball vor einer Woche war Frank-Walter Steinmeier der am heftigsten umworbene Gesprächspartner. Doch das deutsche Staatsoberhaupt ließ sich keine Silbe zu seiner derzeit schwierigsten Mission entlocken. Sein Drängen auf eine handlungsfähige und hinreichend fundierte Bundesregierung will der einstige deutsche Chefdiplomat nicht durch eigene Indiskretionen unterminieren. Es wird im aufgeregten Berliner Polit-Betrieb schon genug geschwätzt, kolportiert und zum Teil voreilig und sogar falsch vermeldet. Das ist nicht gut. Auf dem spiegelglatten Parkett, wo wenig offen gesagt, dafür aber umso mehr intern besprochen werden muss, ist Steinmeier bislang nicht ausgerutscht. Und das ist in der jetzigen, seltsamen und für Deutschland gänzlich ungewohnten politischen Übergangsphase goldrichtig. Steinmeiers ergebnisorientiertes, überparteiliches Agieren verdient Anerkennung. Dabei hätten viele, die Steinmeiers Nominierung für das höchste Amt im Staate vor knapp einem Jahr kritisch begleiteten, diese verantwortungsvolle, im besten Sinne staatstragende Rolle dem einstigen SPD-Politiker nicht zugetraut. Es war der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Angela Merkel mit der Personalie Steinmeier gleichsam überrumpelt hatte. Die CDU-Chefin hatte in den eigenen Reihen der Union keinen ähnlich schwergewichtigen Kandidaten, oder eine Kandidatin, für das Schloss Bellevue aufzuweisen. Einer, der es zweifellos gekonnt hätte, der eloquente Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert, wollte partout nicht. Einen Quereinsteiger, wie ehemals den Weltbanker Horst Köhler, den Merkel einst zusammen mit FDP-Chef Guido Westerwelle am Küchentisch nominierte, gab es auch nicht. Gabriels Coup mit dem beliebten SPD-Außenminister könnte heute dazu beitragen, den politischen Schwebezustand des Landes zu überwinden. Im Wechselbad der Gefühle und politischen Stimmungen seit dem 24. September ist Steinmeier so etwas wie der erfahrene Klassenlehrer, der den kopflos hin und her irrenden und sich balgenden Schülern wieder Richtung gibt, eine klare Ansage macht. Die gestrige "Sprechstunde" im Bellevue war, auch wenn sie noch keine Klarheit brachte und nicht bringen konnte, wer Deutschland künftig regieren wird, eine Lehrstunde in Demokratie. Denn wer auch immer in den Bundestag gewählt worden ist, hat dort seine Verantwortung wahrzunehmen, entweder in Regierungsfraktionen oder in der Opposition. Diese Verantwortung dagegen leichtfertig wieder zurückzugeben - und auf vorgezogene Neuwahlen zu setzen - ist nicht im Sinne der Verfassung. Respekt, Herr Bundespräsident, für diese Nachhilfestunde in Demokratie! Gerade in der jetzigen, bewegten Zeit wuchs dem Staatsoberhaupt eine Schlüsselrolle zu. Er könnte die Weichen stellen für eine Minderheitsregierung. Steinmeier müsste dazu "nur" die CDU-Vorsitzende Angela Merkel als Kanzlerkandidatin dem Bundestag vorschlagen. Und wenn sie in den beiden ersten Wahlgängen die absolute Mehrheit verfehlen sollte, könnte sie in einem dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung gewählt werden. Viele halten eine solche, in Deutschland völlig unbekannte Variante des Regierens für spannend. Der Bundestag bekäme viel mehr Macht, die Debatten mehr Würze. Die Kanzlerin wäre gezwungen, sich Mehrheiten zu organisieren. Doch genau dies will Steinmeier nicht. Weil er überzeugt davon ist, dass Stabilität und Verlässlichkeit in der Politik wichtig sind. Im Inland genauso wie im Ausland.
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